Der Krieg der Zauberer, Band 1: Die Drei Steine (German Edition)
woraufhin der Graf auf den Saum von Lotans Robe trat, was wiederum den Zauberer aus dem Gleichgewicht brachte. Das Ende vom Lied war, dass einer gegen den anderen stieß, alle übereinander stolperten und sie schließlich alle miteinander, so wie es sich für eine echte Gemeinschaft gehörte, das Gefälle hinab purzelten.
Als sie stöhnend und sich gegenseitig mit Schuldvorwürfen überhäufend (selbst der sonst so friedfertige Lotan schimpfte wie ein Rohrspatz vor sich hin) wieder auf die Beine kamen, sahen sie, dass sie dicht vor dem Rand eines tiefen Lochs gelandet waren. Der Krater klaffte genau in der Mitte des kleinen Talkessels, der von niedrigen, dünenartigen Hügeln umgeben war. Die dichten, wie Zypressen aussehenden Bäume, die auf den ringförmigen Erhebungen wie finsterne Wächter wuchsen, sorgten dafür, dass diesem Ort eine seltsame Abgeschiedenheit inmitten des weiten Marschlandes zukam.
„Seht nur, was hier für eigenartige Pflanzen wachsen“, sagte Fredi gerade und hob eine längliche, braungrüne Ranke auf, die aus dem Abgrund zu wachsen schien. „Ganz schön schwer“, ächzte er. „Fast könnte man meinen ...“
Der Satz blieb unvollendet, da plötzlich auf einem der westlichen Hügelchen eine kleine Gestalt auftauchte. Für die Augen der Menschen und des Elben sah sie den beiden Mucklins, die sie nun schon kannten, gar nicht so unähnlich. Ein bisschen größer gewachsen und drahtiger vielleicht, aber ansonsten gab es über ihre Art keinen Zweifel. Anscheinend hatten die Gefährten das Ziel ihrer Suche gefunden. Aber warum nur schaute der fremde Mucklin so besorgt und aufgeregt drein?
„Nicht!“, rief die Gestalt auf dem Hügel mit ihrer hellen, lauten Stimme. „Das sind keine Pflanzen! Kommt sofort ...“
Der Rest der Worte des Mucklins wurde von einem unvermittelt aufkommenden Wind, der träge Nebelschwaden vor sich herwehte, wie von einer dichten Decke verschluckt, sodass sie nicht zu verstehen waren.
„Was soll der Quatsch, Neimo?“, rief Hermeline mit empörter Miene zurück. „Tante Petronella würde dir eins hinter die Löffel geben! Komm sofort hier runter und erklär uns, was das Ganze soll!“
Dann überschlugen sich die Ereignisse. Das furchtbare Brüllen, das sie bereits zwei Mal an diesem Tag gehört hatten, erklang zum Dritten, und dieses Mal brauchten sie über seine Herkunft nicht lange zu grübeln: es kam von unmittelbar neben ihnen, denn es drang aus dem Krater heraus, der in Wirklichkeit vielleicht gar kein gewöhnlicher Krater war. Die zahlreichen seilartigen Schlingen, die sie zuvor für harmlose Kletterpflanzen gehalten hatten, erwachten nämlich augenblicklich zum Leben, als das unsagbar fremdartig und alt klingende Schreien ertönte, undgaben sich als nichts anderes als die Fangarme eines Lebewesens zu erkennen. War es eine Kreatur, die in den Tiefen dieses dunklen Lochs hauste und dort seit Jahrtausenden seiner ahnungslosen Beute harrte, oder war das Loch selbst ein Teil dieses Monstrums, der aufgerissene, von unbändigem Hunger zeugende Schlund nämlich?
Solche Fragen waren den Gefährten allerdings einerlei, als gleich mehrere von ihnen von den nach ihren Beinen und Oberkörpern greifenden Tentakeln gepackt und umschlungen wurden. Eilig rissen sie ihre Schwerter und Dolche aus den Scheiden und hackten und stachen nach den ebenso dicken wie starken Greifarmen, was das Zeug hielt. Bei jedem Treffer, den sie landeten, spritzte eine braune Flüssigkeit umher und ließ das Vieh, das irgendwo in der Tiefe unter ihnen lauerte, vor Wut und Schmerz aufheulen. Gleichzeitig wurde ihnen klar, was ihr Gegner vorhatte: er wollte seine Opfer in den Krater hineinziehen, sie mit seinem geöffneten Rachen verspeisen und sie anschließend während der nächsten Jahre (oder Jahrzehnte?) in aller Seelenruhe verdauen.
Und als ob dies noch nicht genügend Unheil bedeutete, wurden im Norden der Mulde zwei der dortigen Bäume wie Streichhölzer zur Seite geknickt, sodass sie den Blick auf eine Kreatur von beachtlicher Größe freigaben, die nunmehr aus dem Nebel schlüpfte. Die gigantische Anführerin der Tausendfüßer war der Fährte der Flüchtigen gefolgt und schien ihre Beute auch angesichts der neuerlichen Bedrohung, der diese ausgesetzt war, noch keineswegs aufgegeben zu haben. Schließlich hatte sie die Zweibeiner zuerst gesehen und damit die älteren Ansprüche!
Cords mächtige Schwertklinge sauste gerade nach unten und trennte eine der fleischigen Ranken, die
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