Der Krieg der Zauberer, Band 2: Das Orkland (German Edition)
Unmittelbar vor ihnen befand sich ein immenses, im Großen und Ganzen gut erhaltenes Gebäude, das selbst im jetzigen Zustand an einen prächtigen Palast erinnerte und das von Erkern, spitzen Türmen und hängenden Gärten geschmückt wurde. Das große Eingangsportal wurde von zwei schweren Torflügeln aus verzierter Bronze versperrt, die noch immer in ihren verrosteten Angeln hingen. Und jene Torflügel waren es, die, wie von Geisterhand bewegt, mit einem Mal nach außen hin aufschwangen und mit voller Wucht gegen Pfosten und Wand schlugen. Es gab einen lauten Knall, doch gleich danach kehrte wieder Stille ein. Konnte das der Wind gewesen sein, der durch irgendwelche Öffnungen in das Gemäuer gelangte, darin herumwirbelte und die alten Türen und Fensterläden zum Auf- und Zuklappen brachte? Schwer vorzustellen, wenn man bedachte, wie schwer das Metall des Tores war.
„Sieht wie eine Einladung aus! Was meinst du, was sich in diesem alten Herrenhaus verbirgt?“, fragte Neimo, der seinen Blick nicht mehr von der oben gerundeten Pforte, in deren Mitte ein undurchdringliches Dunkel gähnte, abwenden konnte.
„Was? Du denkst doch nicht daran, da reinzugehen?! Für mich sieht das mehr wie der Eingang zu einer übergroßen Mausefalle aus oder wie ein Schlund, der in eine Drachenhöhle hineinführt, und da weiß ich zufällig, wovon ich rede!“
„Das klingt ja noch spannender als das, was ich mir ausgedacht habe. Du hast einfach zu viel Fantasie, Fredi! Aber wenn wir nicht nachsehen, werden wir wohl nie herausfinden, wer von uns beiden recht hat. Aber wir sollten uns beeilen, nicht dass sich die anderen noch Sorgen machen!“ Neimo blickte seinen Kumpel grinsend an und war dann, ohne auf eine Erwiderung zu warten, auch schon in Richtung des Torbogens auf und davon.
„Du musst wirklich völlig verrückt sein, Neimo“, sprach Fredi resignierend vor sich hin. „Und ich mach’ diesen Mist auch noch mit! Wenn ich jemals wieder ins Mucklinland zurückkehre, werde ich mindestens ein Jahr lang keinen Fuß mehr vor die Tür setzen, das versprecheich!“ Dann folgte er seinem Freund hinterher, und kurz darauf waren die beiden auch schon im Innern des einstigen Prachtbaus verschwunden.
Fünfzehntes Kapitel: Arcamantor
So sehr staunend, dass ihre Münder die ganze Zeit über offen standen, schritten die beiden kleinen Wesen durch einige riesige, widerhallende Säle. Diese waren überwiegend leer und hatten doch einige Andeutungen ihres einstigen Prunkes behalten, denn die Wände waren mit Gold und Marmor verziert und an vielen Stellen mit wunderschönen Malereien bedacht. Vor den hohen Bogenfenstern flatterten Wandbehänge, die zu einem stumpfen Braun verblasst waren und die aussahen, als würden sie bei der kleinsten Berührung sogleich zerfallen. Auf dem Boden vermuteten sie zunächst einen dicken, flauschigen Teppich, doch in Wahrheit war es nur Staub, der sich im Laufe der Zeit mehrere Zoll hoch aufgetürmt hatte.
„Aaah! Etwas hat mich gepackt! Hilf mir, Neimo!“, schrie Fredi mit einem Mal, als sie gerade durch eine Tür traten, deren Sturz so hoch war, dass vermutlich sogar ein Bergriese bequem darunter hindurch gepasst hätte.
„Das sind doch nur Spinnweben, du oller Angsthase! Jetzt komm endlich weiter!“, meinte Neimo und schob sich an seinem Freund vorbei in den sich anschließenden Korridor hinein.
Mit einem skeptischen Blick streifte sich der Mucklin mit den Sommersprossen um die Nase die Spinnweben von seinen rotblonden Haaren und folgte seinem Freund hinterher.
Es dauerte nicht lange, da gelangten sie über den Flur, der von mehreren skurrilen, überraschend gut erhaltenen Statuen in Schlangengestalt flankiert wurde, bis an eine weitere Tür, die sofort ihre Aufmerksamkeit erregte. Das Holz der Pforte war mit Bernstein verkleidet, in das wiederum blaue Juwelen in der Weise eingearbeitet waren, dass sie – ein wenig Fantasie vorausgesetzt – das Haupt einer weiteren Schlange mit aufgerissenem Schlund und gegabelter Zunge zeichneten.
„Schon wieder so eine Schlangenfigur! So langsam glaub ich, dass die Istari diese ekligen Viecher angebetet haben!“, merkte Fredi an.
„Damit liegst du vielleicht gar nicht so falsch, Fredi. Hat nicht irgendwer erzählt, dass die Istari ihren Ursprung auf ein Wesen namens
Seti
zurückführen, das angeblich in Schlangengestalt über Orgard gewandelt sein soll? Vielleicht hab’ ich das auch nur irgendwo gelesen. Ist außerdem auch egal, denn das liegt ja schon
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