Der Krieg der Zwerge
einem verstaubten Stück Eisen, das unter einem Stein hervorlugte. Seine Muskeln schwollen an; ein Ruck – und er hielt ein verbogenes Teil einer Lore in der Hand. »Bei Vraccas, das war das Getrampel der Gäule«, machte er sich seinem Ärger Luft. »Sie haben den Einbruch mit ihrem Gestampfe ausgelöst.« Achtlos schmiss er das Eisen auf den Geröllhaufen.
Tungdil vermutete eher, dass sie es mit den Nachwirkungen des großen Bebens zu tun hatten. Sie hatten es vor etlichen Sonnenumläufen abends bemerkt, kurz nachdem sie den Sieg am Schwarzjoch errungen hatten. Nach allem, was die Boten ihnen berichtet hatten, waren die Erschütterungen so gut wie überall zu spüren gewesen. Alte Stollen traf das Gerüttel sicherlich äußerst empfindlich.
Hoffentlich haben es die Zwergenreiche einigermaßen überstanden, dachte er. »Es hilft nichts«, wies er seine Krieger mit ausgestreckter Hand an, wieder an die Oberfläche zu gehen. »Wir suchen den nächsten Einstieg.«
Insgeheim machte er sich große Sorgen. Im Grunde mussten die Tunnel unter dem Geborgenen Land zuerst von den Ingenieuren seines Volkes überprüft werden, ehe man sie wieder wie früher benutzte. Viele Teilabschnitte der Röhren konnten nur überwunden werden, wenn die Loren ungebremst über die Schienen ratterten. Ein massives Hindernis wie hier brachte den Insassen einen harten Aufprall und den sicheren Tod.
Vielleicht ist es besser, gleich zu Fuß zu gehen oder bei nächster Gelegenheit Wagen zu kaufen, schätzte er während der Kletterpartie aufwärts.
300 Meilen bis zum Schwarzjoch – und von dort standen ihnen weitere 600 bevor, bis sie das Blaue Gebirge der Zweiten erreichten. Mit den Tunneln bedeutete das eine Reise von wenigen Umläufen, zu Fuß verging eine kleine Ewigkeit.
Will eine finstere Macht, dass wir später als geplant bei den Ersten angelangen? Was geht im Geborgenen Land vor? Aus der Unruhe und Sorge erwuchs eine nicht erklärbare Beklemmung, auch der Sieg des Vortages über die Orks vermochte daran nichts zu ändern. Tungdil schwang sich hinaus, an die Oberfläche. »Wir beeilen uns. Die Verletzten werden von möglichst vielen getragen«, gab er die Parole aus. »Ich will wissen, was vorgefallen ist.«
Sie orientierten sich anhand des Sonnenstandes und marschierten in Richtung Osten. Als sie auf den Höhenzug gelangten und auf die andere Seite blickten, staunten sie nicht schlecht.
»Ho! Selbst ein Blinder würde merken, dass sich hier ein Lager befunden hat«, sagte Ingrimmsch und sog prüfend die Luft ein. Die aufgewühlte Erde kündete von tausenden von Stiefeln. »Noch mehr Grünhäute«, zischte er und lief die Anhöhe hinab. Tungdil und die anderen folgten im eilig. Er betastete die Spuren, roch an der Erde und spie voller Hass aus. »Meine Beile sollen sie vernichten!« Seine Augen richteten sich zornig auf die breite Bahn, die der Tross in der auftauenden Erde hinterlassen hatte. »Sie sind nach Norden gezogen.«
Tungdil bemerkte, dass es keine einzige Feuerstelle gab. Zwei seiner Zwerge, die die Kuppe erklommen hatten, riefen ihm zu, dass auch dort Abdrücke zu finden seien. Wenige Schritte entfernt saßen Raben unter einem Baum auf zwei Orkkadavern; krächzend stritten sie sich um die fette Beute. Dem Zustand nach zu urteilen, mussten sie schon längere Zeit tot sein. Die Schnäbel der Vögel hatten das dunkle Fleisch teilweise bis auf die Knochen abgezupft.
»Sie haben uns beobachtet«, gab er seine Ansicht kund und betrachtete Boïndil abwartend. »Sie lagen oben auf der Anhöhe und schauten zu, wie wir ihre Artgenossen vernichteten, und als sich abzeichnete, dass wir gewinnen, zogen sie weiter.«
»Feige Brut«, ärgerte sich Ingrimmsch und trat gegen den Leichnam des Orks. Einer der Raben hopste ungelenk und Flügel schlagend zur Seite. »Sie wären mir gerade recht gekommen, ich war so schön in Fahrt.« Er trat an Tungdils Seite. »Ich schätze, dass es viertausend Schweineschnauzen sind, die nordwärts laufen. Mindestens.«
»Aber mit welchem Ziel?«, fragte Tungdil sich, hob einen leeren Trinkschlauch auf, roch daran und ließ ihn angewidert fallen. Es stank ekelhaft. »Warum haben sie uns nicht attackiert? Sie waren uns an Zahl weit überlegen.« Er fasste einen Entschluss. »Vorwärts. Ich will sehen, was sie vorhaben«, befahl er, was bei Boïndil sogleich auf Gegenliebe stieß. Tungdil war sich bewusst, dass sein Volk nicht zu den schnellsten gehörte und die Orks die besseren Läufer abgaben, doch
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