Der Krieg der Zwerge
Steine fielen aus der Gewölbedecke und polterten hernieder. »Es wird nicht mehr lange halten.« Boïndil fuhr mit den Fingern über die Mauer. »Wenn er einbricht, reißt er die anderen Türme und die Kuppelhalle mit sich. Wir müssen raus, Gelehrter.« Tungdil starrte auf die Runen an der Quelle, die weder aufleuchten noch blinken wollten; auch die Einfassung um den Diamanten verhielt sich unauffällig. Vielleicht muss der Kristall zerstört werden. »Gib mir den Krähenschnabel«, verlangte er von dem Zwilling. Mit der stumpfen Seite der Waffe nahm er Maß und schlug mit aller Kraft auf die Fassung, die in hunderte kleiner Stückchen barst. Der Diamant zeigte sich un versehrt, es regte sich aber nichts in seinem Inneren. »Verdammt!«, schrie Tungdil. »Verfluchte Quelle, erwache zum Leben!« Er drosch ein zweites Mal zu. »Erwache, hörst du!?«
Nach dem dritten Schlag gab der Zwerg auf. Was auch immer man benötigte, um sie dazu zu bringen, ihre Kraft fließen zu lassen, er kam nicht darauf. Das Beben wurde stärker. Ingrimmsch packte ihn an der Schulter. »Raus«, befahl er. »Der Turm wird gleich einstürzen.« Tungdil nahm den Diamanten. Zusammen verließen sie das Gewölbe und liefen durch den verlassenen Palast, so schnell es ihnen ihre Verwundungen und ihr geschwächter Zustand erlaubten. Sie kamen an der seltsamen Kreatur vorbei, die er schlagen und von toten Dritten umringt auf dem Marmor lag, sie passierten tote Soldaten, die den Avataren gedient hatten, nur von den Albae fehlte jede Spur. Keuchend eilten sie die breite Freitreppe des Palasts hinab in den Vorhof, wo sie auf Rodario stießen, der von ein paar Zwergen auf einer Trage in Sicherheit gebracht wurde. Das Tor ließ sich mühelos öffnen, ohne die magische Quelle verloren die Schutzrunen ihre Wirkung. Auch die Skelette derer, die über die Mauer klettern wollten und an den unsichtbaren Mächten hängen geblieben, verdurstet und gestorben waren, waren hinuntergefallen. Alle Magie war aus Porista gewichen. Ein neuerliches wütendes Beben versetzte dem zweit höchsten Turm den Todesstoß. Sie wandten sich um, um den Niedergang des einst so glanzvollen Palasts zu verfolgen. Das Bauwerk schwankte wie eine Ähre im Wind; es legte sich so weit zur Seite, dass die Mauern nicht mehr hielten und das obere Drittel ab brach. Die Spitze mit der schweren Balustrade schlug gegen den höchsten der Türme und riss ihn ein; er fiel in sich zusam men, die Trümmer prallten gegen den Palast und zerschlu gen das große Kuppeldach, während die sandfarbenen Türme einer nach dem anderen umstürzten. Die aufsteigenden Staubwolken nahmen den Zwergen die Sicht und rollten wie eine hellbraune Wand heran. Steinsplitter flogen nun auch bis zu ihnen, und das Geräusch berstender Steine wollte nicht mehr enden. Sie gingen hinter der Palastmauer in Deckung und warteten, bis die Zerstörung ein Ende hatte. Staub um schloss sie trüber als dickster Nebel und verklebte Augen und Nase. Wer sich kein Tuch vors Gesicht hielt, begann laut zu husten und zu keuchen. Endlich beruhigte sich die Erde unter ihnen wieder, das Rütteln hörte auf. Tungdil wischte sich den Dreck aus den Augen und langte in den Schnee, um sich damit den Staub aus dem Gesicht zu waschen. Welch eine Zerstörung. Die gesamte Anlage war zu einem einzigen Ruinenfeld geworden, nichts erinnerte mehr an die einstige Pracht. Tonnen von Steinen hatten sie zerschlagen, das Wissen aus tausenden von Sonnenzyklen unter sich begraben und vernichtet. Es schien, als hätte die sterbende Quelle beschlossen, dass es ohne Magi und Magae weder magisches Wissen noch den Palast geben dürfe. Porista und das Geborgene Land blieben ohne Zauberkundige zurück. Gedankenverloren umfasste Tungdil den Diamanten in seiner Tasche. Was mache ich nun mit dir? Zahlreiche Schritte näherten sich; die Zwerge hörten das vertraute Klimpern von Kettenhemden, und aus den letzten Schmutzschlieren traten Xamtys und ihre Krieger Seite an Seite mit Gemmil und seinen Streitern. Tungdil erkannte Balyndis' strahlendes Gesicht neben der Königin. »Vraccas sei gepriesen, ihr lebt!«, rief sie glücklich. Sie hatte die Schlacht mit kleineren Blessuren überstanden, an den Zacken ihrer Keule klebte das Blut der Feinde. »Als wir die Türme fallen sahen, befürchteten wir das Schlimmste.« »Vielleicht ist das Schlimmste geschehen, und wir befinden uns an der falschen Stelle, um es zu sehen«, gab Tungdil düster zurück. Dennoch freute er sich bei allem
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