Der Krieg hat kein weibliches Gesicht (German Edition)
schon viele wie ich. Wir wollten wissen: ›Was? Warum? Weshalb hat man uns zusammengeholt?‹ Sie sagten: ›Ihr werdet es erfahren.‹ Wir gingen hinein, und dort saßen unser ZK-Sekretär Genosse Ponomarenko und andere Funktionäre. Ich wurde gefragt: ›Möchten Sie wieder dorthin, wo Sie herkommen?‹ Wo ich herkam, das war Weißrussland. Natürlich wollte ich. Ich wurde an eine Spezialschule geschickt. Zur Ausbildung für den Einsatz im feindlichen Hinterland.
Nach der Ausbildung wurden wir gleich am nächsten Tag mit Autos an die Frontlinie gebracht. Weiter gingen wir zu Fuß. Ich hatte keine Ahnung, verstand nichts von Front oder Niemandsland. Schließlich kam das Kommando: ›Achtung! Bereitschaft eins.‹ – ›Bumm!‹, krachten Raketen. Der Schnee war ganz weiß, und da drauf ein dunkler Streifen Menschen, das waren wir, wir lagen in einer Reihe hintereinander. Wir waren viele. Die Rakete verlosch, und es wurde nicht geschossen. Auf das nächste Kommando: ›Im Laufschritt, marsch!‹, rannten wir los. So drangen wir ins Hinterland ein ...
In der Partisanenabteilung bekam ich wie durch ein Wunder einen Brief von meinem Mann. Das war eine ungeheure Freude, eine große Überraschung – ich hatte zwei Jahre nichts von ihm gehört. Doch eines Tages brachte ein Flugzeug Lebensmittel, Munition ... Und Post ... Und bei dieser Post, in diesem Segeltuchsack lag ein Brief für mich. Daraufhin wandte ich mich schriftlich ans ZK . Ich schrieb, ich würde alles tun, um mit meinem Mann zusammen zu sein. Diesen Brief übergab ich heimlich, damit unser Kommandeur es nicht sah, dem Piloten. Kurz darauf erreichte uns per Funk die Nachricht: Nach Erfüllung des Auftrags wird unsere ganze Gruppe in Moskau erwartet. Unsere ganze Spezialgruppe. Wir würden an einen neuen Einsatzort geschickt. Es sollten alle mitfliegen, und Fedossenko auf jeden Fall.
Wir warteten auf das Flugzeug, es war Nacht, dunkel wie in einem Fass. Ein Flugzeug kreiste über uns, dann warf es plötzlich Bomben auf uns. Es war eine Messerschmitt, die Deutschen hatten uns entdeckt. Sie drehte eine Kurve, um uns erneut anzufliegen, da ging unser Flugzeug runter, eine U2, genau über der Kiefer, neben der ich stand. Der Pilot setzte nur kurz auf und ging sofort wieder hoch, denn er wusste: Der Deutsche wendet nur, dann schießt er weiter. Ich klammerte mich an der Tragfläche fest und schrie: ›Ich muss nach Moskau! Ich habe eine Genehmigung!‹ Er fluchte, dann: ›Steig ein!‹ So flogen wir also zu zweit. Ohne die Verwundeten ... Nur wir beide.
Im Mai lief ich in Moskau noch mit Filzstiefeln rum. Ich ging sogar in Filzstiefeln ins Theater. Es war großartig. Ich schrieb meinem Mann: Wie können wir uns wiedersehen? Ich war einstweilen in Reserve ... Aber man versprach mir ... Überallhin wandte ich mich mit der Bitte: Schicken Sie mich dorthin, wo mein Mann ist, geben Sie mir wenigstens zwei Tage, ich will ihn nur einmal sehen, dann komme ich zurück, dann schickt mich, wohin ihr wollt. Alle zuckten die Achseln. Doch ich bekam über die Feldpostnummer heraus, wo mein Mann war, und fuhr dorthin. Ich ging zuerst ins Gebietskomitee der Partei, zeigte dort die Adresse meines Mannes, meine Papiere, dass ich seine Frau bin, und sagte, ich wolle ihn sehen. Man erklärte mir, das sei unmöglich, er sei an der vordersten Frontlinie: Fahren Sie zurück. Ich war so erschöpft, so hungrig – aber zurückfahren? Ich ging zum Wehrbeauftragten. Er warf einen Blick auf mich und ordnete an, mir etwas zum Anziehen zu bringen. Ich bekam eine Feldbluse und ein Koppel. Dann versuchte er, mir meine Idee auszureden: ›Nein, wirklich, es ist sehr gefährlich dort, wo Ihr Mann ist ...‹
Ich saß da und heulte, da erbarmte er sich und stellte mir einen Passierschein aus.
›Gehen Sie raus‹, sagte er, ›auf die Chaussee, da steht ein Regulierer, der weist Ihnen den Weg.‹
Ich fand die Chaussee, fand auch den Regulierer, er setzte mich in ein Auto, und ich fuhr los. Als ich in der Einheit ankam, staunten alle, ringsum waren nur Militärs. ›Wer sind Sie?‹, fragten sie mich. Ich traute mich nicht zu sagen – die Ehefrau. Das konnte ich irgendwie nicht, wo ringsum Bomben detonierten ... Also sagte ich – die Schwester. ›Warten Sie‹, sagten sie, ›das sind noch sechs Kilometer zu Fuß.‹ Warten, nachdem ich schon so weit gekommen war? Doch in dem Moment kamen Autos von dort, Essen holen, darin saß ein Hauptfeldwebel,ein rothaariger, sommersprossiger Bursche.
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