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Der Krieg hat kein weibliches Gesicht (German Edition)

Der Krieg hat kein weibliches Gesicht (German Edition)

Titel: Der Krieg hat kein weibliches Gesicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Swetlana Alexijewitsch
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häufig Helden des Bürgerkriegs und Leute, die in Spanien gekämpft hatten. Die Mädchen standen den Jungen in nichts nach. Da gab es keine Trennung. Wir hörten dauernd, von Kindheit an, seit unserer Schulzeit: ›Mädchen – auf den Traktor! Mädchen – in die Pilotenkanzel!‹ Wir träumten davon, unser großes Land zu verteidigen! Das beste Land der Welt! Unser Allerliebstes! Dafür waren wir bereit zu sterben.
    Ich besuchte das Theaterinstitut. Ich träumte davon, Schauspielerin zu werden. Meine Lieblingsfigur war Larissa Reisner. Eine der Heldinnen der Revolution. Die Kommissarin in der Lederjacke. Mir gefiel, dass sie schön war ...«
    Vera Danilowzewa , Unterfeldwebel, Scharfschützin
    »Meine Freunde wurden an die Front geschickt. Ich habe furchtbar geweint, weil ich nun allein war, weil man mich nicht genommen hatte. Man musste niemanden agitieren, alle wollten unbedingt an die Front. Bettelten darum.
    Aber ich studierte nicht lange. Bald hielt unser Dekan eine Rede: ›Wenn der Krieg zu Ende ist, Mädchen, dann könnt ihr weiterstudieren. Die Heimat muss verteidigt werden.‹
    Die Paten aus dem Betrieb verabschiedeten uns an die Front. Es war Sommer. Ich erinnere mich, dass alle Waggons voller Grün und Blumen waren. Man überreichte uns Geschenke. Ich bekam wunderbare selbst gebackene Kekse und einen hübschen Pullover. Begeistert tanzte ich auf dem Bahnsteig einen ukrainischen Hopak ...«
    Anna Nikolajewna Chrolowitsch ,Krankenschwester
    »Ich war Fliegerin ...
    Als ich in die siebte Klasse ging, kam ein Flugzeug zu uns. Zu der Zeit, stellen Sie sich vor, neunzehnhundertsechsunddreißig. Das war damals eine Seltenheit. Damals kam auch der Aufruf: ›Mädchen und Jungen – ins Flugzeug!‹ Ich als Komsomolzin war natürlich immer vorneweg. Ich trat sofort in den Fliegerklub ein. Mein Vater war allerdings strikt dagegen. Bis dahin hatten in unserer Familie alle in der Eisenhütte gearbeitet, mehrere Generationen Hüttenwerker. Mein Vater fand, die Eisenhütte, das sei was für Frauen, die Fliegerei dagegen nicht. Der Chef des Fliegerklubs erfuhr davon und erlaubte mir, meinen Vater auf einen Flug mitzunehmen. Das tat ich auch. Wir stiegen auf, und von da an sagte er nichts mehr. Es gefiel ihm. Ich machte den Pilotenschein mit Auszeichnung, war auch gut im Fallschirmspringen. Vor dem Krieg heiratete ich noch, bekam eine Tochter.
    Ich kam nicht gleich an die Front. In unserem Fliegerklub begannen Umstrukturierungen: Die Männer wurden eingezogen, und wir Frauen mussten sie ersetzen. Wir bildeten die Schüler aus. Es gab viel zu tun, Tag und Nacht. Ich war allein mit meiner Tochter, wir lebten die ganze Zeit in Feldlagern. In der Früh hab ich sie zugedeckt, ihr Brei gegeben, und ab vier Uhr morgens flogen wir schon. Wenn ich abends zurückkam, war sie von oben bis unten vollgeschmiert mit diesem Brei, keine Ahnung, ob sie gegessen hatte oder nicht. Sie war drei. Ein Krümel ...
    Ende einundvierzig kam die Todesnachricht: Mein Mann war bei Moskau gefallen. Er war Flieger, Verbandskommandeur. Ich brachte meine Tochter zu meiner Familie. Und bat um Versetzung an die Front.«
    Antonina Grigorjewna Bondarewa ,
    Gardeleutnant der Luftstreitkräfte
    »An dem Tag wurde ich gerade achtzehn ... Ich war so glücklich ... Doch auf einmal schrien alle: ›Krieg!‹ Ich erinnere mich, wie die Menschen weinten. Alle, die ich auf der Straße traf, weinten. Andere beteten. Das war seltsam ... Ungewohnt ... Menschen, die auf der Straße beteten. So viele Menschen ... In der Schule hatte man uns beigebracht, dass es keinen Gott gibt. Natürlich waren alle verwirrt ... Wo blieben unsere Panzer und unsere schönen Flugzeuge? Wir kannten sie doch von den Paraden. Waren so stolz darauf gewesen! Und nun ... Es gab natürlich einen Moment der Verwirrung. Einen kurzen Moment ... Aber dann dachten alle nur noch: Wie können wir siegen?
    Ich war im zweiten Jahr an der Schule für Feldscher und Hebammen in Swerdlowsk. Ich dachte sofort: Wenn Krieg ist, musst du an die Front. Mein Vater war langjähriger Kommunist, hatte unterm Zaren im Zuchthaus gesessen. Er hat uns von klein auf beigebracht: Die Heimat – das ist alles, die Heimat muss man verteidigen. Und ich zögerte keinen Augenblick: Wenn ich nicht gehe, wer dann? Ich muss ...«
    Serafima Iwanowna Panassenko ,
    Unterleutnant, Feldscher eines motorisierten
    Schützen-Bataillons
    »Ich kam in ein Nachrichtenregiment. Ich wäre nie zu den Nachrichtentruppen gegangen, niemals,

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