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Der Krieg hat kein weibliches Gesicht (German Edition)

Der Krieg hat kein weibliches Gesicht (German Edition)

Titel: Der Krieg hat kein weibliches Gesicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Swetlana Alexijewitsch
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liefen in einen Laden, und dort kaufte ich mir ein Paar Schuhe mit hohen Absätzen. Ja, wir waren auf dem Rückzug, es war schrecklich, alles schwarz, voller Rauch (aber der Laden war offen), und ich wollte mir unbedingt diese Schuhe kaufen. Das weiß ich noch wie heute, so elegante Schuhchen ... Und Parfüm habe ich mir noch gekauft ...
    Es ist schwer, ganz plötzlich auf das normale Leben zu verzichten, wie es vorher war. Ich wollte noch nicht an den Krieg denken. Nicht nur Herz und Verstand, der ganze Organismus sträubte sich dagegen. Ich wollte diesen Geruch nicht in mich eindringen lassen ... Den Geruch der Angst ... Als ich anfing, an den Tod zu denken, war ich sehr einsam ...«
    Vera Iossifowna Chorewa ,Militärchirurgin

Vom Alltag und vom Sein
    »Wir hatten gedacht ... Wir wollten kämpfen ...
    Wir wurden in einem Waggon untergebracht, und die Ausbildung ging los. Alles war ganz anders, als wir es uns zu Hause vorgestellt hatten. Wir mussten früh aufstehen, und dann waren wir den ganzen Tag auf den Beinen. Doch in uns war das frühere Leben noch lebendig. Wir waren empört, wenn der Kommandeur unserer Abteilung, Unteroffizier Guljajew, der nur einen Vierklassenabschluss besaß, mit uns die Dienstvorschriften paukte und manche Wörter falsch aussprach. Wir dachten: Was kann der uns schon beibringen? Aber er brachte uns bei, wie man am Leben bleibt ...
    Nach der Quarantäne, vor dem Fahneneid, gab der Hauptfeldwebel die Uniformen aus: Mantel, Käppi, Feldbluse, Röcke, als Unterwäsche zwei langärmlige Männerhemden aus Nessel, statt Gamaschen Strümpfe und schwere amerikanische Schuhe mit Metallbeschlägen am Absatz und vorn. Ich war die Kleinste in der Kompanie, ein Meter dreiundfünfzig, Schuhgröße vierunddreißig, so winzige Größen lieferte die Militärindustrie natürlich nicht, und Amerika schon gar nicht. Ich bekam Schuhe in Größe zweiundvierzig, die ich ohne Aufschnüren an- und auszog; sie waren so schwer, dass ich beim Laufen die Füße über den Boden schleifte. Beim Exerzierschritt auf Straßenpflaster sprühten meine Schuhe Funken, und mein Gang sah nach allem Möglichen aus, nur nicht nach Exerzierschritt. Wenn ich an den ersten Marsch denke – ein Albtraum. Ich war bereit, Heldentaten zu vollbringen, aber nicht, Stiefel in Größe zweiundvierzig zu tragen. Die waren so schwer und so hässlich.
    Der Kommandeur sah mich laufen und rief mich aus dem Glied.
    ›Smirnowa, was ist das für ein Exerzierschritt? Hat man dir das etwa so beigebracht? Warum hebst du nicht die Beine? Drei Dienste außer der Reihe.‹
    Ich antwortete: ›Zu Befehl, Genosse Oberleutnant, drei Dienste außer der Reihe!‹, drehte mich um, wollte zurückgehen und fiel hin. Ich war unversehens aus den Stiefeln geschlüpft. Die Füße waren blutig gescheuert.
    Da war klar, warum ich nicht richtig laufen konnte. Der Kompanieschuster Parschin wurde angewiesen, mir aus alter Zeltbahn ein Paar Stiefel zu machen, Größe sechsunddreißig ...«
    Nonna Alexandrowna Smirnowa, Soldatin, Flakartilleristin
    »Es gab auch viel Lustiges ... Die Disziplin, die Dienstvorschrift, die Rangabzeichen – diese ganzen militärischen Raffinessenbegriffen wir nicht auf Anhieb. Wir standen Wache, bewachten Flugzeuge. In der Dienstvorschrift heißt es, wenn jemand kommt, muss man ihn anhalten: ›Halt, wer da?‹ Meine Freundin sieht den Regimentskommandeur kommen und schreit: ›Halt, wer da? Entschuldigen Sie, aber ich werde schießen!‹ Stellen Sie sich das vor! Sie schreit: ›Entschuldigen Sie, aber ich werde schießen!‹«
    Antonina Grigorjewna Bondarewa ,
    Gardeleutnant der Luftstreitkräfte
    »Die Mädchen kamen mit langen Haaren an die Schule. Auch ich hatte Zöpfe um den Kopf gewickelt ... Aber wie sollten wir die Haare waschen? Und trocknen? Kaum hat man sie gewaschen, da ist Alarm, und man muss losrennen. Unsere Kommandeurin Marina Raskowa ordnete an, dass wir uns die Haare abschneiden mussten. Die Mädchen schnitten sich die Haare ab und weinten. Nur Lilja Litwak, später eine berühmte Fliegerin, wollte und wollte sich nicht von ihrem Zopf trennen.
    Ich hin zur Raskowa: ›Genossin Kommandeur, Befehl ausgeführt, nur Litwak weigert sich.‹
    Marina Raskowa konnte trotz aller weiblichen Sanftheit ein sehr strenger Kommandeur sein. Sie schickte mich zurück: ›Was bist du für eine Parteisekretärin, wenn du nicht dafür sorgen kannst, dass ein Befehl ausgeführt wird! Kehrt, Marsch!‹
    Kleider, Absatzschuhe ... Es tat uns so

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