Der Krieg hat kein weibliches Gesicht (German Edition)
Mama blieb nur wegen der Kuh ...«
Jelena Fjodorowna Kowalewskaja ,Partisanin
»Ich habe gar nicht erst überlegt ... Ich hatte einen Beruf, der an der Front gebraucht wurde. Ich habe keine Sekunde nachgedacht oder gezögert. Überhaupt habe ich damals nur wenige Menschen getroffen, die diese Zeit irgendwie aussitzen wollten. Abwarten. An eine erinnere ich mich. Eine junge Frau, unsere Nachbarin. Sie sagte mir ehrlich: ›Ich liebe das Leben. Ich will mich pudern und schminken, ich will nicht sterben.‹ Aber sie war die Einzige. Vielleicht fielen sie nicht auf, vielleicht schwiegen sie. Schwer zu sagen ...
Ich weiß noch, ich trug die Blumen aus meinem Zimmer und bat die Nachbarn: ›Gießt sie bitte. Ich bin bald zurück.‹
Doch ich kam erst nach vier Jahren wieder.
Die Mädchen, die zu Hause blieben, beneideten uns, und die Frauen weinten. Eins der Mädchen, das auch mit mir fuhr, stand da, alle weinten, nur sie nicht. Da machte sie sich die Augen mit Wasser nass. Mit einem Taschentuch. Weil ... es war ihr peinlich, schließlich weinten alle. Woher sollten wir wissen, was Krieg bedeutete? Wir waren so jung ...«
Anna Semjonowna Dubrowina-Tschekunowa ,
Garde-Oberleutnant der Luftstreitkräfte
»Ich war gerade fertig mit dem Studium an der medizinischen Fachschule. Ich kam nach Hause, mein Vater war krank. Und plötzlich war Krieg. Ich weiß noch, es war Morgen ... Ich erfuhr die schreckliche Nachricht am Morgen ... Der Tau auf den Blättern war noch nicht getrocknet, und schon hieß es: Krieg! An diesen Tau, den ich plötzlich auf den Bäumen sah, als die Nachricht kam, an den musste ich auch an der Front oft denken. Die Natur stand im Kontrast zu dem, was mit den Menschen geschah. Die Sonne schien hell ... Die Blumen blühten ... Meine geliebten Glockenblumen, die Wiesen waren übersät von ihnen ...
Ich erinnere mich, wir lagen in einem Weizenfeld, ein sonniger Tag. Die deutschen MP s ratterten ta-ta-ta-ta, dann war Stille. Man hörte nur den Weizen rauschen. Dann wieder die deutschen MP s ta-ta-ta-ta ... Und du denkst: Wirst du wohl noch einmal den Weizen rauschen hören? Dieses Rauschen ...«
Maria Afanassjewna Garatschuk ,Militärfeldscherin
»Wir wurden ins Hinterland evakuiert, nach Saratow. In knapp drei Monaten wurde ich zur Dreherin ausgebildet. Wir standen zwölf Stunden an der Drehmaschine. Aber wir hatten nur eins im Kopf: An die Front! Ich ging mit meiner Freundin ins Wehrkomitee, dort sagten wir nicht, dass wir in der Fabrik arbeiteten. Dann hätten sie uns nicht genommen. So aber schrieben sie uns ein.
Wir kamen an die Infanterieschule Rjasan. Dort wurdenwir zu MG -Gruppen-Kommandeuren ausgebildet. Ein MG ist schwer, und das musst du schleppen. Wie ein Pferd. Nachts stehst du Wache und lauschst auf jeden Laut, wie ein Luchs. Auf jedes Rascheln. Im Krieg, das sage ich Ihnen, da ist man halb Mensch, halb Tier. Da kommt etwas Uraltes in dir hoch. Etwas Archaisches. Anders überlebst du nicht.
Ich bin bis Warschau gekommen. Alles zu Fuß. Ich mag keine Bücher über den Krieg. Über Helden ...«
Ljubow Iwanowna Ljubtschik ,
Kommandeurin eines MP -Schützenzuges
»Eine Parade wurde abgehalten ... Unsere Partisanenabteilung hatte sich mit Einheiten der Roten Armee vereinigt, und nach der Parade sagte man uns, wir sollten die Waffen abgeben und die Stadt wieder aufbauen. Das wollte uns nicht in den Kopf: Wie das – der Krieg ging doch weiter, bislang war nur Weißrussland befreit, und da sollten wir schon die Waffen abgeben? Wir alle wollten weiterkämpfen. Wir gingen ins Wehrkomitee, alle unsere Mädchen ... Ich sagte, ich sei Krankenschwester und wolle an die Front geschickt werden. Man versprach mir: ›Gut, wir setzen Sie auf unsere Liste, und wenn wir Sie brauchen, dann holen wir Sie. Vorerst aber gehen Sie an Ihre Arbeit zurück.‹
Ich wartete. Es kam keine Einberufung. Ich ging wieder ins Wehrkomitee ... Viele Male ... Schließlich sagten sie mir offen, es bestehe kein Bedarf, sie hätten genug Krankenschwestern. Aber in Minsk müssten die Trümmer weggeräumt werden. Die ganze Stadt lag in Trümmern ... Was für Mädchen das waren bei uns, wollen Sie wissen? Zum Beispiel Tschernowa, die war schon schwanger, sie trug eine Mine am Leib, direkt daneben schlug das Herz ihres künftigen Kindes. Urteilen Sie selbst, was das für Menschen waren. Wir müssen das nicht lange ergründen, wir waren einfach so. Wir waren so erzogen, für uns waren die Heimat und wir ein und dasselbe. Oder
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