Der Krieg hat kein weibliches Gesicht (German Edition)
ich erschrak. Und wandte sich ab zum Fenster ...
Es waren schwere Gefechte. Ich war auch im Nahkampf ... Das ist furchtbar. Der Mensch wird so ... Das ist nichts für Menschen ... Sie schlagen, stechen einander das Bajonett in den Bauch, ins Auge, würgen sich gegenseitig. Brechen sich die Knochen ... Ein einziges Heulen und Schreien ... Stöhnen ... Und dieses Knirschen ... Dieses Knirschen! Das kann man nicht vergessen ... Das ist selbst im Krieg ein Albtraum, das Allerschlimmste. Da ist nichts Menschliches mehr ... Glauben Sie keinem, der Ihnen sagt, er habe im Krieg keine Angst gehabt. Wenn zum Beispiel die Deutschen aufstehen und losmarschieren – fünf, zehn Minuten vor dem Sturm. Du fängst an zu zittern ... Wie Schüttelfrost ... Aber das dauert nur bis zum ersten Schuss. Wenn der Befehl kommt, dann ist alles vergessen, dann erhebst du dich mit deinen Leuten und rennst los. Und denkst nicht mehr an die Angst. Aber am zweiten Tag, da schläfst du nicht mehr, da hast du schon Angst. Du erinnerst dich an alles, an alle Einzelheiten, dir wird bewusst, dass du hättest getötet werden können, und dann hast du wahnsinnige Angst. Gleich nach einem Angriff sollte man einander lieber nicht ins Gesicht sehen, die Gesichter sind vollkommen verändert, sehen nicht mehr aus wie Menschengesichter. Alle wirken ein bisschen unnormal, beinahe ein bisschen wie Tiere. Da sieht man lieber nicht hin. Ich kann noch heute nicht fassen, dass ich am Leben geblieben bin. Am Leben ... Verwundet, auch am Kopf, aber noch heil. Nicht zu glauben ...
Wenn ich die Augen schließe, sehe ich alles wieder vor mir ...
Eine Granate traf ein Munitionslager, ein Feuer brach aus. Ein Soldat stand daneben, als Wache, der ging in Flammen auf. Er war kein Mensch mehr, nur noch ein schwarzes Stück Fleisch ... Er hüpfte herum ... Immer auf der Stelle ... Aus den Schützengräben sahen alle zu, aber keiner rührte sich, alle waren verwirrt. Ich schnappte mir ein Laken, lief hin, deckte den Soldaten zu und legte mich auf ihn. Presste ihn auf den Boden. Die Erde war kalt ... Er zuckte noch eine Weile, bis das Herz versagte, und wurde still ...
Ich war voller Blut. Ein alter Soldat kam zu mir, umarmte mich, und ich hörte ihn sagen: ›Wenn der Krieg vorbei ist und sie am Leben bleibt, dann wird sie so oder so kein Mensch mehr, sie wird für immer kaputt sein.‹ Weil ich so etwas Furchtbares mitmachte und erlebte, so jung, wie ich war. Ich zitterte wie in einem Anfall, sie führten mich in den Unterstand. Trugen mich fast ...
Da ging das Gefecht erneut los ... Bei Sewsk griffen die Deutschen uns sieben, acht Mal am Tag an. Ich barg an diesem Tag noch mehrere Verwundete mitsamt ihren Waffen. Zu dem Letzten kroch ich hin, sein Arm war total zerschmettert. Hing lose an ihm ... Voller Blut ... Der Arm musste sofort abgetrennt werden, sonst hätte man ihn nicht verbinden können. Aber ich hatte weder Messer noch Schere dabei. Meine Tasche schlenkerte immer an meiner Seite, und dabei waren sie wohl rausgefallen. Was tun? Ich habe das Fleisch mit den Zähnen durchgenagt. Dann habe ich ihn verbunden. Und während ich ihn verband, sagte der Verwundete: ›Schneller, Schwester. Ich will noch kämpfen.‹ Im Fieber ...
Am nächsten Tag, als wir von Panzern angegriffen wurden, waren zwei unserer Männer feige. Viele unserer Soldaten starben. Verwundete, die ich in einen Bombentrichter geschleppt hatte, gerieten in Gefangenschaft. Ein Auto hätte sie abholen sollen ... Doch die Feigheit der beiden Männer löste Panik aus. Die Kette geriet ins Wanken, lief auseinander. Die Verwundeten wurden liegen gelassen. Hinterher kamen wir wieder dorthin, wo sie lagen: Dem einen waren die Augen ausgestochen worden, dem Nächsten der Bauch aufgeschlitzt ... Als ich das gesehen hatte, wurde ich in einer Nacht ganz schwarz. Schließlich hatte ich sie alle dorthin geschafft ... Um sie zu retten ...
Am Morgen trat unser ganzes Bataillon an, die beiden Feiglinge mussten vortreten. Vor uns ... Es wurde verlesen, dass sie erschossen werden. Sieben Mann sollten das Urteil vollstrecken ... Drei meldeten sich freiwillig, die anderen blieben stehen. Ich nahm meine MP und trat vor. Und nach mir alle anderen ... Wir durften ihnen nicht verzeihen. Ihretwegen waren so großartige Jungs umgekommen!
Wir vollstreckten das Urteil ...
Ich weiß nicht – würde ich ihnen heute verzeihen? Ich weiß es nicht. Mein ganzes Leben wird nicht ausreichen, um zu verarbeiten, was ich dort erlebt
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