Der Krieg hat kein weibliches Gesicht (German Edition)
tränken, ganz allein. Gut, dass wir in der Kindheit ein Pferd gehabt hatten und ich irgendwie daran gewöhnt war und es liebte. Als ich also ein Pferd bekam und mich draufsetzte, hatte ich keine Angst. Es ging zwar nicht gleich alles glatt, aber Angst hatte ich trotzdem keine. Mein Pferd war klein, sein Schweif hing bis zur Erde, aber es war schnell und folgsam, und ich lernte rasch reiten. Später galoppierte ich dann auf ungarischen und rumänischen Pferden. Ich gewann Pferde so lieb, gewöhnte mich so an sie, dass ich noch heute nicht gleichgültig an einem Pferd vorbeigehen kann. Ich muss es umarmen. Wir schliefen zu ihren Füßen, und sie passten immer auf, dass sie keinen Menschen traten. Ein Pferd tritt nie auf einen Toten, und einen lebenden Menschen, wenn er nur verwundet ist, den lässt es nie im Stich. Ein sehr kluges Tier. Für den Kavalleristen ist das Pferd ein Freund. Der beste Freund.
Die Feuertaufe – das war, als unser Korps bei Kuschtschowskaja an einer Panzerabwehrschlacht teilnahm. Nach der Schlacht bei Kuschtschowskaja – das war der berühmte Kavallerieangriff der Kubankosaken – wurde das Korps zum Gardekorps ernannt. Es war ein schreckliches Gefecht. Für Olga und mich das schlimmste überhaupt, denn wir hatten noch sehr viel Angst. Ich hatte zwar schon gekämpft und wusste, was das ist, aber als die Kavalleristen losstürmten – wehende Mäntel, die Säbel gezückt, die Pferde schnauften, wenn ein Pferd stürmt, dann hat es eine ungeheure Kraft, und diese ganze Lawine stürmte gegen die Panzer, gegen die Artillerie, gegen die Faschisten –, das war wie ein Albtraum. Die Faschisten waren viele, sie waren in der Überzahl, mit MP in der Hand liefen sie neben den Panzern her – aber sie hielten es nicht aus, verstehen Sie, diese Lawine hielten sie nicht aus. Sie ließen die Waffen fallen und rannten weg ... So war das ...«
Olga Korsh über diese Schlacht:
»Ich verband Verwundete, daneben lag ein Faschist, ich dachte, er wäre tot, und beachtete ihn nicht weiter, aber er war nur verwundet, und er wollte mich töten. Als hätte mich jemand angestoßen, spürte ich das plötzlich und drehte mich zu ihm um. Konnte ihm noch die MP aus der Hand schlagen. Ich habe ihn nicht getötet, aber ich habe ihn auch nicht verbunden, ich ging einfach weg. Er hatte eine Bauchwunde ...«
Sinaïda fährt fort:
»Ich führe einen Verwundeten und sehe: Zwei Deutsche klettern aus einem Panzerwagen. Der Panzerwagen war getroffen worden, aber sie konnten offenbar noch rechtzeitig raus. Das war eine Sache von einer Sekunde, wenn ich nicht rechtzeitig aus meiner MP gefeuert hätte, dann hätten sie mich und den Verwundeten erschossen. Das geschah alles ganz überraschend. Nach der Schlacht ging ich zu ihnen, sie lagen mit offenen Augen da. An diese Augen erinnere ich mich noch heute ... Der eine, erinnere ich mich, war so ein Hübscher, ein junger Deutscher. Er tat mir leid, er war zwar ein Faschist, aber trotzdem ... Irgendwie ließ mich das Gefühl lange nicht los; man will nicht töten, verstehen Sie? Man sollte meinen, man ist wütend, voller Hass: Warum sind sie hergekommen, was wollen sie hier auf unserem Boden? Aber einen von ihnen eigenhändig zu töten – das ist schlimm. Sehr schlimm. Wenn man selber ...
Das Gefecht war vorbei. Die Kosakenhundertschaften zogen weiter, aber Olga fehlte. Ich ritt ganz hinten, als Letzte, und sah mich dauernd um. Es war schon Abend. Von Olga keine Spur ... Man übermittelte mir, dass sie – Olga und noch ein paar Leute – dageblieben seien, die Verwundeten einsammeln. Ich konnte nichts tun, ich wartete nur auf sie. Ich blieb hinter meiner Hundertschaft zurück, wartete eine Weile, dann holte ich sie wieder ein. Und weinte: Hatte ich etwa im ersten Gefecht meine Schwester verloren? Wo war sie? Was war mit ihr? Vielleicht lag sie irgendwo im Sterben, rief nach mir ...
Ich heulte Rotz und Wasser ... Olga auch ... Sie fand mich in der Nacht ... Die Kosaken weinten, als sie das sahen. Wir fielen uns um den Hals, klammerten uns aneinander, konnten uns nicht voneinander lösen. Da begriffen wir, dass wir es nicht ertrugen, zusammen zu sein. Besser, wir trennten uns. Wir würden es nicht ertragen, wenn eine vor den Augen der anderen umkäme. Ich musste um Versetzung in eine andere Schwadron bitten. Aber wie sollten wir uns trennen? Wie?
Doch dann kämpften wir getrennt, zuerst in verschiedenen Schwadronen, dann sogar in verschiedenen Divisionen. Nur hin und wieder ein
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