Der Krieger und der Prinz
auftauchte, redete er sich genau das ein. Manchmal funktionierte es. Manchmal.
Aber der andere Priester? Die Pilger? Dafür hatte er keine Rechtfertigung. Diese Tode und das ghulenhafte, kreischende Ding, zu dem der Solaros im bayarnischen Wald geworden war, verfolgten ihn in seinen Albträumen. Er konnte die Augen nicht zum Beten schließen, ohne diesen schrecklichen, schnarrenden Schrei zu hören, ohne die geäderten weißen Finger zu sehen, die an gequälten Augen rissen. Der Solaros war ein heiliger Mann auf Pilgerreise gewesen und hatte die Vensolles zu Celestias Ehren durchgeführt, und Albric hatte ihn getötet. So gewiss, als hätte er dem Mann eigenhändig ein Messer in die Brust gerammt, trug er die Schuld an diesem Mord. Es war schlimmer gewesen als Mord; er hatte die Dornenlady zu ihnen geführt, und sie hatte die Pilger über den bloßen Tod hinaus geschändet.
Sie konnte durchaus das Gleiche mit diesem Bäcker machen, einem Mann, dessen einziges Vergehen darin bestand, dass er versucht hatte, ein Mädchen zu schützen, das für ihn gearbeitet hatte.
Es war notwendig. Albric ballte die Fäuste auf dem Schoß und starrte zum Himmel empor. Es ist immer noch notwendig. Ich muss meine Pflicht erfüllen. Ein Ritter war nichts ohne Pflicht. Seiner Gelübde und seines Lords beraubt war er nur ein Mann mit einem Schwert, ein verkleideter Söldner, jemand wie der Heuchler Brys Tarnell.
Aber was war unterm Strich seine Pflicht? Albric hegte keinen Zweifel, dass seine Gelübde und sein Lord Gehorsam verdienten, aber er fragte sich, ob Leferic völlig verstand, was er getan hatte, als er Severine in Dienst nahm. Hatte er gewusst, was sie war? Zu welchen Taten sie Albric veranlassen würde?
Gewiss nicht. Gewiss glaubte Leferic, er habe lediglich einen Söldner in Dienst genommen. Einen mit ungewöhnlichen Fähigkeiten, gewiss; einen Söldner, der zum Töten Magie statt Klingen benutzte und keine Skrupel hatte, sich für den Mord an einem Kind anheuern zu lassen. Aber eben doch ein Söldner. Nicht dieses wahnsinnige, sadistische Grauen. Davon konnte er nichts wissen.
Die Dornenlady war nicht einmal effizient. Sie hatte den Tod über Weidenfeld gebracht, aber seither schien sie das Interesse an der Jagd verloren zu haben. Ihre toten Krähen kreisten Tag und Nacht am Himmel, schienen jedoch niemals etwas Nützliches zu finden.
War sie wirklich derart untüchtig? Oder plante sie einen eigenen Verrat?
Bei diesem Gedanken stieg ein saures Gefühl in Albrics Magen auf. Sie hätten sich niemals mit Ang’arta verbünden dürfen. Niemals. Sein Unvermögen, Leferic diese Torheit auszureden, war sein größter Fehler gewesen. Wenn er doch nur ein besserer Ratgeber gewesen wäre – nachdrücklicher, geschickter mit den Worten …
Bei Severines Rückkehr blickte er auf. Blut färbte ihren rechten Ärmel dunkel, und eine Spur feiner Tröpfchen zog sich schräg über ihr Gesicht. Die Knochen ihrer verstümmelten Hand waren nass und dunkelrot, die Farbe im aufkommenden Morgenlicht gerade eben zu erkennen. Sie leckte sich das Blut von diesen geschärften Knochen und schenkte Albric ein kokettes kleines Lächeln. »Er hat nicht gelogen. Er wusste wirklich nicht, wohin sie gegangen ist.«
Albric nickte angespannt, und eine neuerliche Welle von Übelkeit stieg in ihm auf. Der Mann war einer der Untertanen seines Lords gewesen. »Was ist mit der Leiche?«
»Ihr braucht Euch darüber keine Gedanken zu machen.« Noch während sie sprach, sah Albric ihre Leichname aus dem Wald schlurfen: Zuerst die beiden Ghulhunde, die Schnauzen rot vom Blut, die Augen leer wie immer, dann der Bäcker, der sich langsamer, stockender bewegte. Sein bärtiger Kopf drehte sich bei jedem Schritt trunken von einer Seite zur anderen, aber keines Trinkers Kopf drehte sich jemals so weit, dass das Kinn aufs Rückgrat zeigte.
Und doch wies der Mann keine weitere Verletzung auf, nichts, das erklärt hätte, woher all das Blut gekommen war. Seine Kleider waren nicht schmutzig, obwohl Albric ihn heftig niedergeschlagen hatte.
»Wie meint Ihr das?«
»Sagen wir, der Bäcker hat Tarnebrück gestern Nacht nie verlassen. Sagen wir, er hat sich betrunken und ist in die Dunkelheit hinausgestolpert. Sagen wir, er ist gestürzt – trunken, töricht – und hat sich das Genick gebrochen. Ein Jammer. Aber wir haben damit nichts zu tun.« Die Dornenlady bedachte ihn mit einem letzten kühlen Lächeln und zog ihre Kapuze zum Schutz gegen die Morgensonne
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