Der Krieger und der Prinz
Tun zu rechtfertigen, oder sie werden dich überlisten wollen, damit du ihnen hilfst, Macht zu erlangen, und manchmal musst du entscheiden, ob es mehr Gutes bewirkt, sie gewähren zu lassen oder Einhalt zu gebieten. Es gibt niemals genug Magie, um all die Unbilden der Welt zu heilen, und es ist eine schwere Last zu entscheiden, wem du hilfst und wem nicht … zu wissen, dass du die Macht hattest, jemandem zu helfen, dass du es aber nicht getan hast oder nicht tun konntest, weil du der Meinung warst, dass ein anderer deine Magie dringender benötigte. Und der schwerste Teil ist, glaube ich, nicht zu vergessen, wie man sich ein gutes Herz bewahrt, wenn man jeden Tag die hässlichsten Seiten der menschlichen Seele zu Gesicht bekommt. Wenn sie freundlicher zueinander wären und verantwortungsbewusster, wäre ein Großteil unserer Arbeit nicht notwendig – aber das sind sie nicht, und du musst ihnen trotzdem helfen. Wie bewahrst du dir ein Herz, das großzügig genug ist zu heilen, ohne zu verdammen?«
»Ihr helft den guten Menschen und haltet die bösen auf, so geht es«, sagte Mirri sachlich.
»Das ist richtig«, stimmte Bitharn ihr zu. »Aber die meisten Menschen sind keine Sonnenritter oder Plünderer aus Ang’arta. Die meisten Menschen sind ein wenig von beidem. Selbst Sir Cadifar hat aus Eifersucht gesündigt, und selbst die Winterkönigin hat ihre Söhne geliebt. Was machst du da?«
Mirri sah auf ihre Zehen hinab, überlegte und trat gegen einen losen Pflasterstein. Eine aufgeschreckte Taube flog davon. »Ich will kein Sonnenritter mehr sein. Ich will so sein wie Ihr.«
»Ah, ja. Nun«, sagte Bitharn und unterdrückte ein Lächeln, »das ist schon einfacher.«
Den Rest des Nachmittags verbrachten sie außerhalb der Stadtmauern, wo sie ein Stück Leinwand zwischen die Pfähle im Graben spannten und sich im Bogenschießen übten. Sie wollte das Kind nicht zu weit von den Mauern wegführen, aber innerhalb der Mauern konnten sie nicht gut Pfeile abschießen. Bitharn bekam von einem der Torwächter einen Knabenbogen. Zunächst hatte ihr der Mann einen seltsamen Blick zugeworfen, aber nachdem sie ihm die Situation erklärt hatte, war er einverstanden. Ab und zu hatte es seinen Nutzen, die Gefährtin des Verbrannten Ritters zu sein.
Sie rechnete damit, dass Mirri sich nach einigen Runden langweilen würde, aber zu ihrer Überraschung lernte das Mädchen die Lektionen mit grimmiger Entschlossenheit und schoss jeden Pfeil ab, als sei die Zielscheibe das Herz ihres schlimmsten Feindes. Das Kind hatte einen guten Instinkt für den richtigen Stand und die korrekte Handhaltung, und am Ende des Nachmittags verfehlte sie die Leinwand kaum noch. Bitharn hatte ein großes Stück ausgesucht und ziemlich nah aufgestellt, war jedoch trotzdem beeindruckt.
Sie sammelten gerade die Pfeile von der letzten Runde ein, als Mirri sich plötzlich aufrichtete und Bitharn heranwinkte.
»Seht mal!« Das Mädchen zeigte auf den schlammigen Graben.
Bitharn brauchte einen Moment, bis sie erkannte, was Mirri meinte. Der Graben war flach und übelriechend; obwohl der größte Teil des Schmutzes der Stadt, der in der Nacht anfiel, mit Wagen fortgebracht wurde, um die Felder im Osten zu düngen, wurde alles, was die Kloakenreiniger übersahen, über die Mauern in den Graben gekippt. Daran war nichts Bemerkenswertes, und zuerst sah Bitharn nicht so recht, warum Mirri sie gerufen hatte.
Dann fiel ihr Blick auf die Fußabdrücke im Schlamm. Es waren zwei Spuren, die von einem Nebentor wegführten: ein Paar schwere Stiefel, die sich so tief in die weiche Erde eingedrückt hatten, dass die Nägel in ihren Sohlen deutliche Abdrücke hinterlassen hatten, und ein einzelner, etwas kleinerer Stiefel, zu dem die runden Abdrücke eines Holzbeins gehörten. Die Abdrücke verliefen parallel und überlagerten einander gelegentlich, was bedeutete, dass sie gleichzeitig nebeneinanderher gegangen sein mussten. Zweistiefel wurde schwerer, wo Holzbein leichter wurde, aber das Gegenteil kam nie vor; also hatte Zweistiefel die andere Person gestützt – und den Rillen nach zu urteilen, die das Holzbein an manchen Stellen hinterlassen hatte, musste Zweistiefel Holzbein gelegentlich hinter sich her geschleift haben.
»Mathas hatte ein Holzbein«, flüsterte Mirri. »Sind das Abdrücke von einem Holzbein?«
»Ich glaube, ja.« Bitharn folgte der Spur, so weit sie konnte, aber jenseits des Grabens wurde der Boden schnell härter, und die Abdrücke waren zu
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