Der Krieger und der Prinz
… vielleicht könnt Ihr ihm meine Bitte an meiner statt unterbreiten.«
Mirri hin, Mirri her, Bitharn wollte sich zu diesem Versprechen nicht moralisch verpflichten lassen. Es wurden ohnehin schon zu viele Forderungen an Kelland gestellt. Aber sie konnte höflich sein. »Worum geht es?«
»Mathas war kein Trinker. Der Bäcker. Ich meine …« Er brach ab, presste die Augen zusammen und schüttelte den Kopf. Dann setzte er noch einmal an, nach Worten tastend. »Es ergibt überhaupt keinen Sinn. Ich habe für Mathas gearbeitet, seit er vor fast zehn Jahren sein Bein verloren hat. Der Mann hat nie mehr als einen Humpen Bier zum Abendessen getrunken. Er mochte es nicht, wenn ihm bei der Arbeit etwas in die Quere kam, da sie alles war, was ihm die Schicksalsgötter gelassen hatten. Wenn er sich bis zur Besinnungslosigkeit hätte betrinken wollen, hätte er es nicht nachts getan. Zu dieser Zeit bereitet er nämlich das Brot für den Morgen vor. Wenn man das damit zusammenbringt, dass sein Mädchen aus Langmyr nicht mal eine Woche vorher verschwunden ist und mein Wagen heute Morgen nicht da war und der alte Clover ebenfalls nicht, dann riecht das Ganze schlimmer als wochenalter Fisch. Ich mache mir Sorgen, dass ich der Nächste sein könnte. Wenn Ihr der Sache vielleicht nachgehen könntet, bitte …«
»Ich werde Sir Kelland deine Sorgen übermitteln«, erwiderte Bitharn mit kühler Korrektheit.
Haeric begriff den Fingerzeig. »Ich wäre Euch sehr verpflichtet«, murmelte er und senkte den Blick wieder auf seinen zerbeulten Hut, während Bitharn mit dem Mädchen fortging.
Im dritten Laden gab es weder panische Enten noch einen Bäcker mit gebrochenem Genick, und Mirri bekam endlich ihr Sahnehörnchen. Bitharn kaufte sich ein Honigbrötchen mit Rosinen und Nüssen, und sie verzehrten ihr Mahl in dem kleinen Vorraum des Ladens, gewärmt von den Feuern der großen Öfen in der Nähe. Es gab heißen Pfefferminztee und gewürzten Wein, der aufgrund zu starker Gärung ein wenig bitter war. Beides vertrieb jedoch die Kälte von innen wie von außen.
Die Bäckerin weigerte sich, ihre Münzen zu nehmen, sobald sie begriffen hatte, wer Bitharn war. »Es ist Bezahlung genug, Euch einfach hier zu haben«, sagte sie in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete. »Wir wissen zu schätzen, was der Verbrannte Ritter alles für uns tut, und das, wo unsere eigene Gesegnete verschwunden ist.«
»Das ist sehr freundlich von dir«, sagte Bitharn, obwohl sie lieber bezahlt hätte. Selbst kleine Geschenke stellten eine Verpflichtung dar, die sie aufgrund ihrer Erziehung im Tempel und ihrer langen Reisen mit Kelland nicht ignorieren konnte. Aber wieder hatte sie das Gefühl, dass Mirris Anwesenheit sie zur Höflichkeit zwang, daher bestand sie nicht darauf zu bezahlen.
Es war noch immer früh am Nachmittag, als sie die Bäckerei verließen. Mirri hielt einen geflochtenen Hefezopf umklammert, den sie beim Abendessen mit ihrer Familie teilen wollte. Während sie durch die Straßen gingen, wandte sich das Mädchen mit dem seltsamen Ernst der sehr jungen Kinder an Bitharn.
»Ich will ein Sonnenritter werden, wenn ich groß bin«, verkündete sie.
»Ach ja?« Bitharn lächelte. »Warum?«
»Weil Ihr Menschen helfen könnt, und sie schenken Euch Dinge, und sie sind immer glücklich, Euch zu sehen.«
»Nicht immer, und ganz so einfach ist es nicht. Aber es ist ein würdiges Ziel.«
»Wie kann ich es schaffen?«
»Überhaupt nicht, Kleinchen.« Erfüllt von einer seltsamen, wehmütigen Traurigkeit zauste Bitharn dem Mädchen das kurze, schwarze Haar. Sie hatte einst denselben Wunsch gehabt. »Du kannst dir ein freundliches Herz und einen reinen Geist bewahren, und du kannst hoffen, aber am Ende wählt die Göttin. Nicht wir. Und vielleicht ist es besser so.«
»Warum?« Mirri runzelte die Stirn. Sie lutschte nicht mehr am Daumen, bemerkte Bitharn; stattdessen ließ sie die Arme locker hin und her schwingen, wie Bitharn selbst es tat, und hielt den Hefezopf mühelos in einer Hand.
»Weil die Strahlende unsere Herzen besser kennt als wir selbst. Sie weiß, wer die Kraft hat, ihre Geschenke zu tragen. Es ist nicht leicht, berufen zu sein, und noch schwerer ist es, den Gelübden gerecht zu werden, sobald man sie abgelegt hat. Sobald man in die Welt hinausgeht … alle erwarten Wohltaten, alle verlangen sie, und viele denken, sie hätten ein Anrecht darauf, ohne ein Wort des Dankes. Menschen werden deinen Namen benutzen, um ihr eigenes
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