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Der Krieger und der Prinz

Der Krieger und der Prinz

Titel: Der Krieger und der Prinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merciel Liane
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dagegen gewesen war, eine der Verstümmelten Hexen von Ang’arta einzubeziehen, hatte Leferic geglaubt, dass Magie für ihren Erfolg vonnöten wäre, und still und heimlich die entsprechenden Vorkehrungen getroffen. Seither hatte er sich gefragt, ob es klüger gewesen wäre, wenn er auf den Schwertmeister gehört hätte. »Hat sie …«
    Albric schüttelte knapp den Kopf. »Sie war … tüchtig. Wenn auch blutrünstig. Aber das Werk ist vielleicht noch nicht getan.«
    »Wie das?«
    Abergläubisch machte Albric das Zeichen der Sonne: einander gegenüberliegende Daumen und Zeigefinger zum Kreis geformt, die übrigen Finger strahlenförmig ausgestreckt. Er senkte die Stimme weiter, bis Leferic, der kaum zwei Schritte entfernt stand, kaum noch die Worte ausmachen konnte. »Einige haben überlebt.«
    Das Kribbeln der Sorge, das Leferic empfand, türmte sich zu einer kalten Woge der Furcht auf. Einen Moment lang hatte er das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Der geisterhafte Geschmack von Metall lag auf seiner Zunge. Er streckte eine Hand aus, um sich auf den Sarg seines Bruders zu stützen, und fühlte sich beruhigt von seiner Festigkeit. »Wer?«
    »Einige der Dorfbewohner. Ein durchgegangenes Pferd ist gegen das Tor gedonnert, und einige Menschen sind durch die Bresche geflohen. Ein Reiter. Er könnte einer von Gal… – einer der Männer gewesen sein, denen der Angriff galt. Schwer zu sagen. Ich konnte nicht erkennen, wer die Toten waren, nicht nachdem sie fertig war, daher kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen, wer fehlt. Aber ich glaubte, das Gesicht zu erkennen, als er vorüberkam.« Albric hielt inne. Es war ein winziges Zögern, kaum lange genug für ein Blinzeln, aber bei ihm sprach dieser Herzschlag des Schweigens Bände. »Und das Kind.«
    Leferic schloss die Augen. Er umklammerte den Deckel des Sarges fester, ballte die Hand halb zur Faust und streckte gleich darauf wieder die Finger, als könne er Stärke aus dem Holz ziehen. »Wo ist er jetzt?«
    »Wir sind uns nicht sicher. Wir haben die meisten der entflohenen Dorfbewohner eingefangen. Das Kind war nicht unter ihnen.«
    »Es muss gefunden werden.« Es musste gefunden werden. Musste. Wegen der anderen Überlebenden machte Leferic sich keine allzu großen Sorgen; keiner der Mörder, Albric ausgenommen, ließ sich leicht mit ihm in Verbindung bringen, und Albric war an diesem Tag hinter einem Helm mit Visier verborgen gewesen. Niemand, der das Massaker mit angesehen und überlebt hatte, würde ihm die Morde nachweisen können.
    Aber wenn Wistan lebte …
    Die Lieder der Troubadoure waren voller verwaister Prinzen, die in aller Heimlichkeit aufwuchsen und zurückkehrten und von den Tyrannen ihr Geburtsrecht zurückforderten. Die Geschichtsbücher waren voll von den blutigen Überresten jener, die es tatsächlich versucht hatten.
    Wenn Wistan überlebte, wurde er zu einer unmittelbaren Gefahr für Leferics Herrschaft, selbst wenn nie jemand die Wahrheit über den Tod seiner Eltern erführe. Das Kind wäre ein Hindernis auf dem Weg, die Nachfolge seines Bruders anzutreten, ein Grund für dessen Anhänger, Leferic die Herrschaft streitig zu machen, sogar ein Grund für einen Bürgerkrieg. Königreiche waren wegen geringerer Probleme auseinandergebrochen. Die Lehnsmänner seines Vaters würden Leferic als ihren rechtmäßigen Lord akzeptieren, wenn kein anderer Erbe auftauchte, aber er machte sich keine Illusionen über seine Beliebtheit oder darüber, wie lange ihre Loyalität währen würde, sollte sich eine Alternative abzeichnen.
    Albric presste unter seiner Kapuze die Zähne zusammen. »Ich weiß nicht, ob ich ihn finden kann.«
    »Aber sie kann es«, sagte Leferic.
    »Sie kann es«, stimmte Albric widerstrebend zu.
    »Beruft ein Treffen ein. Morgen Nacht, nach Mondaufgang. Wir werden noch einmal ihre Dienste in Anspruch nehmen und verhandeln müssen.«
    Der Stuhl seines Vaters, so musste Leferic entdecken, war bemerkenswert unbequem.
    Der Thron von Bullenmark war eine gewaltige Sitzgelegenheit aus roter knorriger Eiche, übersät mit dunklen Flecken und glatt gesessen im Laufe der Zeit. Die Troubadoure behaupteten, der Stuhl stamme aus der Zeit Haelgrics des Kühnen, des ersten Lords von Bullenmark, der seine Ländereien und seinen Titel in der Zweiten Schlacht bei Seivernfurt errungen hatte. In dieser Schlacht war der König von Eichenharn von langmyrdischen Armeen zurückgedrängt worden, und er wäre, eingeklemmt zwischen seinem Feind

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