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Der Krieger und der Prinz

Der Krieger und der Prinz

Titel: Der Krieger und der Prinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merciel Liane
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Kindermörder.
    Aber das, so hieß es, war er.
    »Jetzt tritt vor Euch Lusian der Fette aus Kleinwald, der des Mordes beschuldigt wird«, verkündete Heldric, Gesith von Lord Ossarics Lehnsmännern und der Erfahrenste von allen in den Gebräuchen des Gerichts. In den meisten Fällen hatte Leferic den Gesichtszügen des alten Kriegers unterschwellige Hinweise entnommen und so verstanden, was von ihm erwartet wurde, aber jetzt konnte er dem Gesicht nichts entnehmen. Heldrics Ausdruck verriet bloß grimmige Entschlossenheit, als stünde er auf einem trügerischen Feld vor einem unbekannten Feind und wartete darauf, was sein Widersacher als Erstes preisgeben würde.
    Da er dort keine Hilfe fand, straffte Leferic sich auf dem unbequemen Stuhl und rezitierte seinen Teil des rituellen Verfahrens. »Wer erhebt sich, diesen Mann anzuklagen?«
    Einen Moment lang erfolgte keine Antwort. Die versammelten Höflinge und Soldaten wechselten verwirrte oder unbehagliche Blicke; kein anderer Verbrecher war ohne eine sofortige Anklage aufgerufen worden. Dann öffneten sich mit einem Ächzen die Türen am gegenüberliegenden Ende des Raums. Ein Windstoß drückte die Flammen der Fackeln nach unten und ließ die zerlumpten Kriegsflaggen an den kahlen Steinwänden flattern. Ein Mann trat ein und ergriff das Wort.
    »Ich tue es«, sagte er schroff. Seine Stimme war stark vom kehligen Akzent des Nordens gefärbt. Ein Raunen ging durch die Reihen der Lehnsmänner, als sie sich teilten, um den Sprecher durchzulassen.
    Der Mann, der vortrat, war hochgewachsen, gut und gern einen Kopf größer als alle anderen im Raum und zeigte die helle Gesichtsfarbe der Weißen Meere. Als er aus dem Sonnenlicht in die rauchige Dunkelheit der Halle trat, schien das Licht nicht aus seinem Haar zu weichen. Es blieb hell in der Düsternis, beinahe weiß. Ein tiefschwarzes Mal – eine der Runen der Nordländer, vermutete Leferic – verunstaltete seine rechte Wange. Er trug einen schneeweißen Bärenpelz als Umhang – der Kopf des Tieres war nach der Manier der Barbaren unversehrt – und ließ den Blick aus seinen harten, gletscherblauen Augen verächtlich über die Zuschauer schweifen. Ein wenig von dieser Verachtung schwand, als er sich Leferic zuwandte. »Ich bin Cadarn, genannt der Schuldner des Todes. Ich klage diesen Mann des Mordes an, und ich klage Euren Hof der Feigheit und des Verrats an.«
    Leferic hob eine Hand, um das Raunen der Entrüstung zum Schweigen zu bringen, das durch die Halle lief. Er sprach mit lauter Stimme, damit er sich inmitten des Murrens seiner Lehnsmänner Gehör verschaffen konnte. Heldric beobachtete ihn jetzt, aber die Miene des Gesith war nicht weicher geworden. Im Gegenteil, der alte Krieger schien noch konzentrierter zu sein, während er den jungen Mann auf dem Thron beobachtete. »Sagt mir, Cadarn, Schuldner des Todes, warum Ihr diese Anklage erhebt!«
    »Ich trank in einer Taverne in Kleinwald etwas, als dieser Mann eintrat. Er hatte Blut an seinem Hemd und auf seinem Axtgriff und war zum Prahlen aufgelegt. Mein Freund Ulvrar fragte, gegen welche grimmige Kaninchen er gekämpft habe, und dieser Mann lachte« – Cadarn drehte den Kopf und spuckte in die Binsen – »lachte und erwiderte , es seien keine Kaninchen gewesen, sondern Langmyrner, die er erschlagen habe. Wir fanden es seltsam, dass dieser Holzfäller Männer getötet haben und selbst unverletzt geblieben sein sollte, und daher fragte ich, welche Langmyrner er erschlagen hatte. Er sagte, es wären Kinder gewesen und er hätte sie im Wald gefunden.
    Ulvrar und ich, wir folgten den Spuren dieses Mannes. Zwei Kinder fanden wir tot im Wald. Das ältere hatte noch keine zwei Hände Sommer gesehen. Das jüngere war ein Mädchen. Dieser Mann, er hat ein kleines Mädchen und einen Knaben getötet, der eine Hand oder noch mehr davon entfernt war, zum Mann zu werden, und beide waren unbewaffnet. Sie hatten Pilze gesammelt, diese Kinder. Wir fanden ihren Korb, und die Pilze waren alle blutbefleckt.
    Als wir ins Dorf zurückkehrten, wollte uns niemand helfen, diesen Mann als Mörder zu ergreifen. Sie versuchten sogar, uns daran zu hindern. Ich musste einen töten, bevor die übrigen uns erlaubten, ihn mitzunehmen, und für diesen Tod entschuldige ich mich bei Euch, Lord Leferic, aber ich werde keinen Blutpreis entrichten.«
    Mit diesen Worten hielt der blonde Riese inne und wartete darauf, dass Leferic seine Weigerung mit einem Nicken anerkannte, bevor er fortfuhr. »Wir

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