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Der Krieger und der Prinz

Der Krieger und der Prinz

Titel: Der Krieger und der Prinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merciel Liane
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Verwirrung in seinen klaren, blauen Augen. »Die Wildblüter sind die größten unserer Krieger. Sie verzehren die Herzen von Tieren, und aus ihnen beziehen sie Magie. Mut, Stärke, Ausdauer … anderes. Es gibt drei Riten: den ersten, um in die Bruderschaft einzutreten, den zweiten, um die Verbindung mit dem Tier zu vertiefen, den dritten, um seine Magie zu meistern und wahrhaft einer der Wilden zu werden. Manche Leute sagen, die Macht sei verflucht, aber sie ist ein Preis, der überaus bereitwillig gezahlt wird. Ich habe mich geweigert. Ich hatte nicht den Mut, mein Tier zu meistern. Daher war ich ein Feigling. Ich trage dieses Brandmal nicht zu Unrecht, Lord Leferic.«
    »Ich bezweifle, dass Cadarn einen Feigling für seine Kompanie ausgewählt hätte.«
    Ulvrar schenkte ihm ein kleines, mitleidiges Lächeln. »Cadarn, der Schuldner des Todes, ist selbst ein Verbannter. Was bleibt ihm schon anderes übrig? Glaubt Ihr, wir würden Euch unsere Schwerter verkaufen, wenn wir noch immer das Recht zum Plündern hätten? Nein. Ein Krieger nimmt. Das ist sein Geburtsrecht. Er dient keinem Weichling aus Grünland. Die Thane haben uns alle verstoßen, Lord Leferic. Wir sind alle verflucht. Es fügt sich, dass Cadarn der Wolf ein ehrenhafter Mann ist und nicht zum Räuber wird, wenn ihm ein Than den Segen verwehrt. Es fügt sich, dass wir, die wir ihm folgen, dies so ähnlich sehen. Aber wären wir keine Ausgestoßenen, wären wir nicht hier.«
    »Dann muss ich Euren Thanen dankbar sein«, sagte Leferic, der seine Verwirrung hinter Höflichkeit verbarg. »Ihr Verlust war ein Segen für mein Reich.«
    Der vernarbte junge Mann akzeptierte die Worte mit einem Nicken. Er stieß seinem Pferd die Fersen in die Rippen, und das Tier galoppierte los und schloss sich den anderen Soldaten unter dem Banner von Bullenmark an. Leferic hätte gern noch viele weitere Fragen gestellt, aber es wäre unziemlich gewesen, einem Söldner nachzujagen. Er konnte warten.
    Sie erreichten die äußeren Felder von Kleinwald, als die ersten Sterne gerade über den Apfelbäumen erschienen. Der Ort war klein und nicht reich; seine Felder waren winzig und uneben, seine Bewohner gering an Zahl. Den größten Teil seines dürftigen Wohlstands erzielte Kleinwald mit Äpfeln, Kastanien und Schweinen; Dingen, die man auf Bäumen oder um Bäume herum ziehen konnte.
    Bäume waren Kleinwalds Segen und Fluch zugleich. Sie verbargen seine Bewohner vor Plünderern von der anderen Seite des Flusses, aber sie verbargen auch Banditen. Räuber suchten diese Etappe der Straße beinahe so lange heim, wie Leferic denken konnte. Erst in den letzten Jahren, als an der Grenze genug Frieden geherrscht hatte, dass Sir Gerbrand seine Soldaten gegen die Banditen aussenden konnte, war dieses Übel endlich beseitigt worden. Und jetzt benutzte derselbe Ritter, der die Räuber besiegt hatte, sie als Tarnung für seine eigenen Männer.
    Seufzend und erschöpft rieb Leferic sich die Augen. Sie waren seit dem Frühstück zu Pferde unterwegs, länger als er im Sattel zu sitzen gewohnt war, aber das war es nicht, was ihn ermüdete. Sir Gerbrand war einer der loyalsten Ritter seines Vaters gewesen. Es war ein unrühmliches Ende für eine ehrenhafte Laufbahn, und Leferic freute sich nicht darüber, es herbeizuführen … aber Gerbrand hatte seine Rebellion aus freien Stücken angezettelt und seinen Lohn verdient.
    Er war ehrlich genug, sich einzugestehen, dass es für ihn einfacher gewesen wäre, hätte er seine Männer herschicken können; dann hätte er Sir Gerbrands Gesicht nicht zu sehen brauchen. So wie er das Gesicht seines Bruders nicht gesehen hatte, flüsterte eine kleine Verräterstimme in seinem Kopf.
    Aber das war der Grund, warum er hier sein musste. Er musste seine Furchtlosigkeit nicht bloß seinen Lehnsmännern beweisen, sondern auch sich selbst. Wenn er ein würdiger Herrscher sein wollte, durfte er kein Feigling sein. Nicht in den Augen seiner Männer, nicht in den eigenen Augen. Er musste den blutigen Preis der Macht sehen und lernen, ihn mit eigener Hand zu zahlen, ohne dabei mit der Wimper zu zucken.
    Cadarns Erscheinen ersparte ihm weitere Introspektion. Der Nordländer hatte seinen weißen Bärenfellumhang gegen braune Wolle eingetauscht; der Winter hatte den Boden noch nicht mit Schnee bedeckt, und Weiß erregte im Wald zu viel Aufmerksamkeit. Trotz seiner Größe bewegte Cadarn sich wie ein Geist durch die Bäume, und die Männer, die mit ihm kamen, waren

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