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Der Krieger und der Prinz

Der Krieger und der Prinz

Titel: Der Krieger und der Prinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merciel Liane
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Verwundung im Kampf. Cadarns Nordländer und seine eigenen Ritter würden ihn vor Gerbrands »Banditen« beschützen, aber niemand würde ihn vor sich selbst beschützen. Bei der Führung von Männern ging es ebenso um Theater wie um Tüchtigkeit, hatte de Halle geschrieben, und er konnte sich keine schlechte Vorstellung leisten, schließlich war sein Anspruch auf den Thron mehr als wackelig.
    Leferic seufzte und drehte sich auf den Kiefernzweigen um. Sein Mantel bot wenig Wärme und noch weniger Schutz vor dem stacheligen Geäst, aber er zwang sich, das Unbehagen zu ignorieren. Er durfte keine Schwäche zeigen. Sie hielten ohnehin bereits wenig genug von dem Bücherwurm.
    In seinen Sorgen verloren bemerkte er gar nicht, dass er doch endlich einschlief. Kaum hatte er eine halbwegs bequeme Position auf den Kiefernzweigen gefunden, da rüttelte ihn auch schon einer der Ritter an der Schulter, dessen Gesicht in der dem Morgengrauen vorangehenden Düsternis unkenntlich war.
    »Wacht auf!«, flüsterte der Mann heiser und war verschwunden.
    Die Sterne waren nicht mehr zu sehen, aber der Himmel war noch immer von einem dunklen Perlblau, als er aus der Hütte stolperte. Sir Merguil, bereits bewaffnet und gepanzert, drückte Leferic eine Tasse dampfenden Bitterkiefertee in die Hand. Die Wärme war beruhigend, und die Schärfe vertrieb den Nebel des Schlafes aus seinem Kopf. Er fragte sich, wo sie das Feuer errichtet hatten und wann. Alle anderen waren so viel tüchtiger.
    »Wann reiten wir?«, fragte er Ulvrar.
    Die Augen des jungen Mannes leuchteten in der Dunkelheit. Sie schienen etwas nicht ganz Menschliches an sich zu haben: ein bleiches Licht, das größere Ähnlichkeit mit den Augen eines Wolfs hatte als mit denen eines Menschen. »Wir reiten, wenn wir das Signal hören«, erwiderte er und schnallte sich einen Gürtel voll Messer mit eisernen Griffen um. »Dann werden wir wissen, dass Cadarn angegriffen hat.«
    »Werden wir den Kampf nicht versäumen?«
    »Das werden wir.« Ulvrar zuckte die Achseln. »So ist es sicherer. Verirrte Pfeile, panische Pferde … niemand kann erraten, welches Schicksal ihm in der Schlacht bevorsteht, und Eure Pflicht ist es nicht, hier zu sterben.«
    Leferic nickte, denn der Sinn dieser Worte war zu offenkundig, um ihn zu bestreiten, aber Unzufriedenheit nagte an seinen Eingeweiden. Er wollte seinen Höflingen etwas beweisen. Er musste seinen Mut beweisen. Den ganzen Weg hierher zu reiten, um eine Handvoll entwaffneter Banditen der Gerechtigkeit zuzuführen … nun, er würde seinen Lehnsmännern zeigen, dass er gedachte, seinen Frieden mit Gewalt durchzusetzen, und dass er nicht zu träge war, um hierzu seine Burg zu verlassen, aber großen Ruhm brachte es ihm nicht ein. Ruhmreicher wäre eine persönliche Teilnahme an der Schlacht gewesen. Mann gegen Mann und Klinge gegen Klinge unter dem wilden Winterhimmel, darüber würden die Barden singen.
    Die Trauernden wahrscheinlich ebenfalls. Er war kein Schwertkämpfer. Ulvrars Plan war gut.
    Der harsche Ruf eines Horns tönte zittrig durch die Luft, und ihre Pferde wieherten nervös und zerrten an ihren Zügeln. Leferic verspürte ein Prickeln der Erregung. Vielleicht war der Kampf vorüber; vielleicht waren Gerbrands Rebellen bereits bezwungen. Aber er war einer Schlacht trotzdem näher, als er es je gewesen war – und falls er nicht versagte und der zerbrechliche Friede zerstört wurde, sollte er niemals wieder einer Schlacht so nahe kommen.
    »Wir reiten«, sagte Ulvrar.
    Sie erreichten den Schauplatz des Gemetzels. Die langmyrnischen Bauern waren ein jämmerliches Häufchen: eine Handvoll Männer und zwei verängstigte Frauen, letztere mit dem erschöpften Blick von Witwen, die gezwungen waren, ohne Brüder oder Söhne ihren Weg in der Welt zu machen. Sie scharten sich um einen Wagen, der beladen war mit Schinken in Netzen und Fässern, die mit Pech abgedichtet waren. Zwei Esel standen zwischen den Deichseln. Einer war tot, mit einem Pfeil in der Brust in seinem Geschirr in sich zusammengesunken, während der andere wie gelähmt vor Angst zu sein schien. Der Kutscher war ebenfalls tot. Er war in seinem Sitz umgefallen, und seine Arme hingen zu Boden. Pfeile ragten aus seinem Leichnam wie Nelken, die in einer Bisamorange steckten.
    Zwei der »Banditen« waren ebenfalls tot oder lagen im Sterben. Einer lag mit ausgestreckten Gliedern im Schmutz, Kehle und Schlüsselbein zerschmettert von einem wilden Hieb mit einer massiven Klinge. Der

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