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Der Krieger und der Prinz

Der Krieger und der Prinz

Titel: Der Krieger und der Prinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merciel Liane
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selben Morgen, während er in ihrem Zimmer im Gebrochenen Horn schlief, machte sie sich auf die Suche nach einer Bäckerei.
    Das grelle morgendliche Licht blendete sie. Es war ein kalter, klarer Wintertag, und obwohl kein Schnee lag, war die Welt voll von einem spröden Weiß sowie einer Klarheit, die ihr das Herz zerriss. Angesichts der Schönheit ihrer Umgebung hob sich ihre düstere Stimmung ein wenig, die begonnen hatte, sie niederzudrücken. Sie schritt mit hoch erhobenem Kinn durch Tarnebrück und war erneut wild entschlossen, tatsächlich eine Möglichkeit zu finden, hier zu überleben.
    Bevor Brys sie fortgeschickt hatte, war ihr nicht klar gewesen, wie stark sie darauf gehofft hatte, dass sich alle ihre Probleme durch ihn irgendwie in Luft auflösen würden. Es war der Wunsch eines Kindes, und Odosse hätte sich selbst dafür getadelt, wenn sie ihn begriffen hätte, bevor er wieder verschwunden war. Brys würde – konnte – nicht für immer bei ihr und Aubry bleiben. Noch wollte sie das wirklich; es wurde immer deutlicher, dass er ganz anders war als die Ritter aus den Liedern und Geschichten. Natürlich würde sie ihren eigenen Weg in der Welt finden müssen.
    Es war nicht einmal so, dass ihr ihre schattenhafte Existenz im Gebrochenen Horn gefiel. Es war lediglich einfacher, sich dort zu verstecken, sich an eine Illusion von Sicherheit zu klammern, als hinauszugehen und sich der Hässlichkeit zu stellen, die sie in Tarnebrück gesehen hatte.
    Aber das war kein echtes Leben – es war überhaupt kein Leben –, und beim Gedanken, vom Geld eines Toten abhängig zu sein, drehte sich ihr der Magen um. Sie brauchte ihre eigene Arbeit, ihre eigene Wohnung.
    Dazu wäre eine Bäckerei der beste Ort. Andere Fähigkeiten besaß Odosse nicht. Und, dachte sie, in einer Stadt mit vielen Durchreisenden war es für ein Mädchen aus Langmyr vielleicht durchaus möglich, Arbeit zu finden.
    Die Zahl der Menschen in Tarnebrück schwoll, wie bei allen Grenzstädten, im Winter mächtig an. Reisende saßen fest wegen unpassierbarer Straßen, Söldner wollten die Wunden der Kämpfe des vergangenen Jahres auskurieren und für das nächste Jahr üben, und Kleinbauern auf abgelegenen Höfen suchten die Sicherheit von Mauern und Wachen. Der Winter war eine harte Zeit mit hungrigen Wölfen und wilden Männern in den Wäldern. Wenn es warm wurde, kehrten die Menschen auf die Felder und die Straßen zurück, aber bis dahin war es gut, in einer Stadt zu sein.
    Es gab zu viele Fremde in Tarnebrück, als dass man sie hätte meiden können, wie sehr sich die Gemüter gegen die Langmyrner auch erhitzt haben mochten. Odosse musste lediglich den Söldnern und Händlern folgen, um festzustellen, wo sie ihr Brot kauften, und sie erfuhr dabei, welche Bäcker freundlich zu Fremden waren. Das waren diejenigen, an die sie sich mit ihrer leidvollen Geschichte wandte.
    Odosse nannte ihren wahren Namen – es lag ihr nicht, mehr zu lügen, als notwendig war, und sie bezweifelte, dass sie aufmerksam genug wäre, um auf einen falschen Namen zu reagieren –, aber sie behauptete, beide Säuglinge seien ihre eigenen Kinder. Zwillinge, so sagte sie, der Vater verschwunden oder tot. Einem Bäcker erzählte sie, ihr Ehemann sei ein guter, ehrlicher Bauer gewesen und ums Leben gekommen, als sein Beil vom Hackblock abgeglitten war und die Wunde sich entzündet hatte. Einem anderen Bäcker, der den Beinstumpf und den geraden Rücken eines verletzten Veteranen hatte, tischte sie eine Geschichte über einen Soldaten auf, der fortgegangen war, um in einem fernen Krieg zu kämpfen, aus dem er nie mehr zurückgekehrt war. Ein dritter Mann hörte von einem Söldner, einem Mann, den sie in einer einzigen Sommernacht geliebt und nie wiedergesehen hatte.
    Jedes Mal erzählte Odosse die Geschichte etwas anders. Sie scherte sich nicht darum, ob man ihr glaubte, solange die Leute sie bemitleideten. Und ihr Arbeit gaben.
    Es war der Bäcker mit dem Beinstumpf, der sie schließlich in seine Küche einließ. Sein Name war Mathas, und er hatte unter Lord Osseric gedient, bevor der Pfeil eines Banditen und eine böse Entzündung das linke Bein unterhalb des Knies gefordert hatten. Grobes, schwarzes Haar spross auf seinem Kinn und aus seinen Ohren, während sein Kopf kahl und glänzend war wie ein braun gesprenkeltes Ei. Er war kein gut aussehender Mann, aber vielleicht ein freundlicher.
    »Es fällt mir schwer, meine Waren auszuliefern«, erklärte er und stampfte mit seinem

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