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Der Krieger und der Prinz

Der Krieger und der Prinz

Titel: Der Krieger und der Prinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merciel Liane
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sie die Teigbälle zum Abkühlen unter die Fenster legte. Sie lächelte schwach und sehnsüchtig, aber der Augenblick verwandelte sich in schieres Entsetzen, als ihr bewusst wurde, dass sie laut gesprochen hatte.
    Mathas beobachtete sie. In seinen Augen stand ein mitfühlendes Leuchten. »Du hast sie verloren?«
    Sie nickte nur dumpf.
    »Erst vor Kurzem?«
    Ein weiteres Nicken.
    »Man sieht es dir an.« Er ächzte. »Den Ehemann auch?«
    »Er war nicht – war nicht wirklich mein Ehemann.« Sie griff nach der Brotschale. Es war einfacher zu reden, während sie arbeitete: So hatten ihre Hände etwas zu tun, und sie selbst hatte einen Vorwand, ihn nicht anzusehen. Sie zog den Teig in die Länge, schlug ihn auf den Tisch und knetete ihn, bis die Finger schmerzten.
    Mathas ließ sie eine Weile schweigend weiterarbeiten. Dann fragte er: »Welcher Krieg?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Odosse wahrheitsgemäß. Sie hatte keine Ahnung, was die Baoziten nach Weidenfeld geführt hatte. Aber gewiss war es ein Krieg gewesen, irgendein Krieg. Sir Galefrid und seine Ritter waren unter den Händen bewaffneter Feinde des Reiches gestorben. Was war das, wenn nicht ein Krieg?
    Sie schlug den Teig abermals auf den Tisch. Er nahm ihre Wut auf und erhob sich sanft um die Grübchen, die ihre Knöchel hinterließen. »Es war Blutnebel«, hörte sie sich sagen. »Zumindest glaube ich es. Jemand, der dort war, hat es mir erzählt. Wer verdient es, so zu sterben? Warum?« Tränen rannen ihr über die Wangen, heiß und hilflos, Tränen um Coumyn und ihre Eltern und all die anderen, die aus ihrem Leben gerissen worden waren. All diese Zuneigung und Fürsorge, all die kleinen Augenblicke, die das Gewebe ihres Lebens ausmachten, zerrissen in einem einzigen Augenblick. Und es war nicht einmal um sie gegangen, sie waren völlig gleichgültig gewesen, sondern lediglich darum, dass sie einen passenden Hintergrund für den Tod eines anderen abgegeben hatten.
    Odosse weinte, aber sie knetete weiter. Sie war sich jetzt gewiss, dass sie sich die Möglichkeit, Arbeit zu bekommen, verdorben hatte. Auch darum weinte sie, lautlos. Sie wischte sich die Tränen vom Kinn, bevor sie herabtropfen konnten. Trotzdem gab sie den Teigball auf den Arbeitstisch, wischte die Schüssel mit einem geölten Tuch aus und rieb damit über den Teig, bis er glatt und glänzend war. Dann legte sie den geölten Teigball zurück in die Schüssel und breitete wieder den Mull darüber, damit der Teig aufgehen konnte, während sie die Pastetenformen fertig machte. Nun wartete sie ab, wobei sie sich fragte, ob Mathas sie wegschicken würde, aber er beobachtete sie nur mit undeutbarer Miene. Also arbeitete sie weiter.
    Jede der schweren, gusseisernen Pfannen hatte Ringe für acht kleine Pasteten. Odosse nahm zwei, drückte den Pastetenteig in die Ringe und bedeckte damit Boden und Seiten der Formen gleichmäßig. Sie füllte dreizehn Formen, stach die Böden mit einer Gabel ein und goss einen Fingerbreit Wasser in die leeren Ringe, damit der Teig beim Backen nicht schwarz wurde.
    Mathas musterte die Backbleche, als Odosse sie in den kühlsten Ofen schob. »Dreizehn? Mistress Halfrey will zwölf.«
    »Mein Vater hat mich gelehrt, immer eine Portion extra zu machen, zum Kosten, bevor man den Rest an die Gäste schickt. Butter ist teuer, aber ein Fehlschlag ist teurer.«
    Der Bäcker nickte, auf schroffe Weise erfreut. »Ich habe meine Tochter das Gleiche gelehrt. Sie ist jetzt oben in Isencras und backt für König Raharics Küche. Schickt mir von Zeit zu Zeit Briefe. Sie kann nicht lesen, ebenso wenig wie ich es kann, aber ihr Junge ist erst sieben und versteht bereits diese Kunst. Auch deine Kinder könnten sie erlernen, wenn du willst. Die Gesegnete Andalaya unterrichtet die Kinder der Stadt. Wenn sie hier ist.«
    »Bedeutet das …«, begann Odosse, aber Mathas fiel ihr ins Wort.
    »Ich habe ein Gästezimmer über der Bäckerei, wenn du einen Platz zum Wohnen brauchst. Zimmer und Verpflegung, so viel Brot, wie du am Ende des Tages nach Hause tragen kannst, und drei Pennys die Woche. Es ist ein großzügiges Angebot.«
    »Allerdings«, sagte Odosse, die ihr Glück kaum fassen konnte. »Ich danke dir für deine Freundlichkeit, und es ist mir eine Ehre, dein Angebot anzunehmen.«
    Schon bald nach ihrem Einzug in Mathas’ Bäckerei verliefen ihre Tage in einem behaglichen Rhythmus. Früh am Morgen, wenn die Sterne noch leuchteten und die Luft scharf war von der Kälte, ging sie nach

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