Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)
Schulbildung investiert haben, nicht verschwendet war“, nickte er. „Würdest du bitte stehenbleiben?“
„Sonst was?“, erkundigte ich mich. „Erschießen Sie mich sonst? Wie Sir Malcolm?“
„Was redest du da?“ Auch ohne seine Gefühle zu spüren, war klar, dass ich mein Ziel erreicht hatte: Er war verärgert. „Du solltest wissen, dass wir Sedgwick nicht ermordet haben.“
„Sie scheinen seinen Tod aber auch nicht zu bedauern.“
„Merkur war einer von uns. Er hatte einen Platz in der Kommission. Auf ihm ruhte unsere Hoffnung in diesem Spiel! Ahnst du überhaupt, was sein Tod für uns bedeutet?“
„Nicht zuletzt, dass Sie nur noch zu siebt sind.“
Er fasste sich wieder. „Du bist nicht halb so schlau, wie du glaubst.“
„Ich glaube“, riet ich und kämpfte gegen ein neuerliches Schwächegefühl an, „Sir Malcolm gehörte genau so lange zu Ihnen, bis er Ihnen das Artefakt stahl, das Sie unbedingt brauchen, und vor diese Wahl gestellt – kommen Sie, Aaron, Sie wollen es doch wiederhaben?“
„Egal, was passiert“, sagte Aaron und ließ mich mit seinem Blick nicht los, „wir sind vorbereitet. Man hat schon oft versucht, uns zu hintergehen – aber niemand kann verhindern, dass wir das große Werk vollenden.“ Er lächelte flüchtig. „Zwei mal zwölf Jahre, bis die Sterne wieder günstig standen. Glaube mir, ich werde nicht noch einmal so lange warten. Eher gehe ich ans Museum zurück.“ Er versteifte sich. „Du kannst nicht mit mir handeln! Du hast das Artefakt nicht.“
„Ich weiß aber, wer es besitzt.“
Da zögerte er dann doch. Was immer er versuchte, das Gefühl ließ nach. Ich stand nun so dicht vor ihm, dass ich sein Rasierwasser riechen konnte. Ich schwitzte vor Anspannung. Ich versuchte, den Shila gegen ihn zu verwenden, aber sein Kristall streute seine Kraft wie ein Prisma. Ich würde es ohne ihn schaffen müssen.
Aarons Antlitz war wie aus Stein. Der Bündelrevolver war direkt auf mein Brustbein gerichtet.
„Heraus damit“, sagte er, und der Lauf des Revolvers zuckte einen Zoll nach oben.
„Wenn Sie mich erschießen, werden Sie es nie erfahren“, wisperte ich.
„Glaub mir, wir haben Wege, an Antworten zu gelangen.“
„Eine Nekrotypie wird Ihnen nicht helfen.“
„Wo ist das Artefakt?“, herrschte Aaron mich an, und es brauchte all meine Kraft, nicht zusammenzuzucken.
„Bailey hat es.“
„Bailey?“
„Wer sonst? Er hat deswegen den Niederländer getroffen.“
„Es war nicht zu übersehen, wie die Begegnung ausging“, spottete er.
„Augenscheinlich hat er Ihnen aber nicht erzählt, was er sonst noch erfahren hat.“
„Du lügst. Bailey gehört zur Loge, und solange er das tut, macht er ganz genau, was man ihm sagt.“
„Das dachten Sie von Sir Malcolm auch. Sie verlieren die Kontrolle. Glauben Sie, ich täusche Sie? Warten Sie, ich lege den Shila ab.“ Ich hob die Hände.
„Halt!“, befahl er, und ich erstarrte. „Hände auf den Kopf. Dreh dich um. Ich werde ihn dir abnehmen. Was ich schon lange hätte tun sollen.“
Ich legte die Hände auf den Kopf und streckte den Oberkörper dabei etwas mehr als nötig. Jetzt galt es. Langsam drehte ich mich um die eigene Achse.
„Steh ruhig, verdammt!“ Ich spürte, wie sich die Läufe seiner Handfeuerwaffe in meinen Rücken bohrten. Dann war seine andere Hand an meinem Hals und nestelte ungeschickt am Verschluss des Schmuckes wie ein ungeduldiger Junge an den Schnüren eines Korsetts. Obwohl er mir dabei die Luft abschnürte, wartete ich geduldig und unterdrückte den Brechreiz, denn ich wollte, dass er von selbst erkannte, dass er beide Hände brauchen würde, um den Verschluss zu öffnen.
„Ganz zu Ihrer Verfügung, Aaron“, sagte ich und schmiegte mich trotz der Waffe an ihn.
Ich hörte, wie er fluchte, dann war der Revolver verschwunden, und ich spürte die zweite Hand, auf die ich gewartet hatte.
Es war eine Bewegung, die ich häufig geübt hatte: Mein Ellenbogen sauste herab und traf ihn in die Niere, während der Rest meines Körpers unter seinen Händen und damit der möglichen Schussbahn wegtauchte. Aus der Drehung heraus packte ich Aaron am Arm und warf ihn. Er stolperte unsanft gegen den Schaukasten, dann rappelte er sich auf und legte auf mich an, aber ich trat ihm den Revolver aus der Hand. Ein weiterer Tritt schleuderte ihn zu Boden. Im nächsten Augenblick war ich auf ihm, drückte ihm mein Knie in den Rücken und drehte ihm den Arm um. Er stöhnte.
„Du kannst uns
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