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Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka , Matthias Mösch , Alexander Flory
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oder später. Ich vertraue Shiels, und mittlerweile bereue ich es, nicht ihn zu meinem Stellvertreter gemacht zu haben, sondern Hall, der sich immer auffälliger und reizbarer verhält, je näher wir unserem Ziel kommen.
    Ich bedeutete heute Shiels daher, in meiner Nähe zu bleiben, und ließ mich mit ihm zurückfallen. Ich versuchte, ihn aufzumuntern, und eine Weile gingen wir nebeneinander her und sprachen von unseren Familien am anderen Ende der Welt, bis wir es ließen, weil es uns vorkam, wie von einem fast vergessenen Traum zu sprechen, und das schmerzte uns. Dann versuchte ich, ihm begreiflich zu machen, dass er vorsichtiger sein müsse.
    Er fragte mich, was ich meine, und ich sagte ihm, dass sein gestriger Sturz auch ohne weiteres sehr viel schlimmer hätte ausgehen können, worauf er mit einer scherzhaften Bemerkung entgegnete. Da erzählte ich ihm von Leutnant Druyts. Er sagte, das sei wohl ein tragischer Unfall gewesen, aber ich unterbrach ihn und erinnerte ihn an Osterhoudt. Er schüttelte konsterniert den Kopf und sagte, er verstehe nicht, worauf ich hinauswolle. Ich sagte ihm, das alles sei mehr als ein Zufall und im Falle Druyts’ auch keineswegs ein Unfall gewesen. Ich erzählte ihm, was ich gestern Nacht herausgefunden hatte: dass Vanderbilt überzeugt gewesen war, Willems habe etwas mit Druyts ’ Absturz zu tun gehabt. Shiels dachte eine Weile darüber nach, und als er wieder sprach, war seine Stimme endlich ernst. Er wolle das richtig verstehen, sagte er: Ich glaube also, ihm wäre beinahe dasselbe widerfahren wie Druyts. Ich verneinte und sagte, ich glaube, dass es ihm immer noch widerfahren werde, und er solle sich in Acht nehmen. Er fragte, vor wem, und ich antwortete, vor Hall und O’Lannigan. Ich fragte ihn, ob ihm klar sei, wen wir in den Gräbern gefunden hatten. Er fragte, ob man Druyts ’ Leiche denn je gefunden habe, was ich verneinte. Darauf antwortete er, dann blieben wohl nur noch Willems und Lakerveld.
    Ich machte ihm klar, wie unberechenbar die beiden geworden seien, seit sie den Schatz im Dschungel geborgen hatten. Eine alte Geschichte: Die Räuber streiten um die Beute. Er grinste und sagte, wir seien ja nun keine Räuber, aber er wüsste dennoch gerne, wer die beiden erschossen habe. Ich sagte, das liege wohl auf der Hand: sie sich gegenseitig. Er überlegte eine Weile und sagte dann, das leuchte ihm ein. Ich ermahnte ihn abermals, sich vor Hall und dem Sergeanten in Acht zu nehmen, und er dankte mir für die Warnung und versicherte mir, er werde die Augen offenhalten. Dann fragte ich ihn, ob ihm aufgefallen sei, dass Hall bei der Leiche etwas an sich genommen habe. Er verneinte und schlug vor, ihn darauf anzusprechen. Ich erwiderte, ich ziehe das in Erwägung; dann setzte ich mich wieder an die Spitze des Zugs.
    Nichts schmerzt einen kommandierenden Offizier mehr, als zu sehen, wie einem die eigenen Männer entgleiten und zu misstrauen beginnen. Ich merkte, dass Shiels sich dagegen sträubte, die gleichen Schlüsse aus unserer Situation zu ziehen wie ich – vielleicht wäre es anders, hätte er die kompletten Aufzeichnungen gelesen; vielleicht wäre alles anders, verfügten meine Männer über das gleiche Wissen wie ich; doch mag ich das Risiko nicht eingehen, dieses Wissen mit ihnen zu teilen. Für den Moment habe ich alles getan, was in meiner Macht steht, und vielleicht wird Shiels zur rechten Zeit auf der Hut sein. Nur in einem habe ich ihn belogen:
    Ich glaube nicht, dass Leutnant Willems und Fähnrich Lakerveld sich gegenseitig töteten. Die Tagebücher nennen zwar nicht alle Einzelheiten, aber ich kenne Major Vanderbilt mittlerweile gut genug, um zwischen den Zeilen lesen zu können. Ich glaube, in Wahrheit geschah folgendes:
    Die Niederländer hatten ihr Lager oberhalb der Fälle aufgeschlagen und sich bei Sonnenaufgang auf die Suche nach der besten Stelle für den Abstieg gemacht, was angesichts des Regens und der nicht unbeträchtlichen Menge der von ihnen geborgenen Schätze, die sie den Hang hinab zu transportieren gedachten, keine leichte Aufgabe gewesen sein konnte. Willems, Druyts und Lakerveld gingen an der Kante entlang, als Druyts ausrutschte und mit lautem Schrei in die Tiefe stürzte. Als Major Vanderbilt hinzukam, war das Unglück schon geschehen – aber etwas an Willems’ Schilderung des Vorfalls kam ihm verdächtig vor.
    Druyts’ Leiche war nicht mehr zu bergen gewesen. Die vier Überlebenden machten sich an den Abstieg, wozu sie fast den gesamten

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