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Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka , Matthias Mösch , Alexander Flory
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dessen der größte der geheimnisvollen Tempel am Hang eines Berges lag. Zunächst weigerten sich meine Augen, dem Anblick Glauben zu schenken.
    Der Platz war voll menschlicher Skelette.
    Einige waren unvollständig, wo ein wildes Tier sich ins Tal verirrt und sich mit seiner Beute aus dem Staub gemacht hatte. Andere waren völlig von den dunklen Flechten überwachsen. Wieder andere hatten die Elemente im Lauf der Jahre mit sich gerissen und zu grotesken Formationen angehäuft. Doch es war unverkennbar, dass ihre Anordnung einst einem bestimmten Plan gehorcht hatte, und viele lagen immer noch so da: alle, gleich welcher Größe und welchen Alters, in säuberlichen Reihen, die Köpfe einer Reihe gegen die der nächsten. Was war hier geschehen?
    Ein Weilchen staksten wir durch das Knochenfeld, und machten eine sonderbare Entdeckung: Überall zwischen den Toten fanden sich kleine Kristallsplitter. Viele waren in die Innenräume der Schädel gerutscht, als hätten die Menschen sie auf ihren Augen oder Lippen getragen, als sie starben. Ich fragte Cray, ob er die Kristalle für den Bestandteil eines Bestattungsritus halte, und er murmelte, das sei vielleicht nur Teil einer möglichen Erklärung, und warf mir einen prüfenden Blick zu, dem ich ohne Erwiderung standhielt.
    Jenseits des Totenfelds führte ein dunkler Gang ins Innere des größten Tempels. O’Lannigan bekreuzigte sich und verlieh einer Reihe abergläubischer Vorbehalte Ausdruck, an Allerheiligen einen Ort wie diesen zu betreten, ehe er sich wieder seiner Pflicht besann.
    Wir entzündeten unsere Laternen und staunten über die Pracht der mit Blattgold und Juwelen überzogenen Wände, die in krassem Gegensatz zur primitiven Armut der Stadt standen. An vielen Stellen hatten Vanderbilt und seine Leute Steine und Skulpturen aus Sockeln und Nischen gebrochen, aber die Schätze waren offenkundig mehr gewesen, als sie hatten tragen können. Schon sehe ich ein schlimmes Funkeln in den Augen meiner Männer, selbst wenn man bei näherem Hinsehen bemerkt, dass die Goldschicht nur hauchfein, und die meisten der Rubine und Smaragde nicht sehr rein sind.
    Bald erreichten wir die ausgedehnte Halle, in der wir bis auf weiteres Quartier bezogen haben. Die Wände dieser Halle sind über und über mit primitiven Schriftzeichen bedeckt. Cray behauptet, sie entstammen einer anderen Epoche, ja einer gänzlich anderen Kultur als die Inschriften in der alten Hauptstadt, doch es gebe gewisse Übereinstimmungen, so als haben sich beide Kulturen in grauer Vorzeit gegenseitig befruchtet. Unwillkürlich drängte sich uns der Gedanke auf: Waren dies die Dämonen, die von den frühen Siedlern Arakans ins Gebirge vertrieben worden waren?
    Ich gestattete Cray, sich den Schriften zu widmen, vor allem, damit ich selbst etwas Zeit gewann, denn ich musste unbedingt herausfinden, was Vanderbilt an diesem Ort widerfuhr. Das Studium seines Tagebuchs kommt mir vor, als läse ich gegen die Zeit selbst an. Alles passiert schneller, als Vanderbilt es berichten und ich es wiedergeben kann. Hall und der Sergeant sind ungeduldig, wollen die inneren Bereiche des Tempels nach Schätzen erkunden. Ich habe ein ungutes Gefühl bei der Sache und wage es nicht, sie alleine ziehen zu lassen, daher werde ich mich ihnen anschließen und später meinen Eintrag fortsetzen. Shiels, der Ruhe dringend nötig hat, wird hierbleiben und ein Auge auf Cray halten.
    Nachtrag
    Der Schlaf will sich nicht einstellen und soll es auch nicht, denn ich fürchte, was mich ereilen könnte, schlösse ich meine Augen – also schreibe ich dagegen an, gegen die Nacht und unseren drohenden Untergang, und bringe meinen Bericht zum Ende:
    Unbeschreibliche Gräuel haben sich an diesem Ort abgespielt – Gräuel, die ebenso von den Eingeborenen begangen wurden wie von den Niederländern und dem Mann, dessen Lügen und Halbwahrheiten uns bis zum Zentrum seines Wahns geführt haben.
    Wenn man seinen Worten glauben mag, erreichten Vanderbilt und seine Männer 1779 diesen Ort zum Höhepunkt eines grausigen Schauspiels. Die Priesterschaft hatte von langer Hand auf jenen Tag hingewirkt, in der Absicht, die Aufmerksamkeit welch finsterer Götter sie auch verehrten auf sich zu ziehen. Der Versuch hatte aber nicht die gewünschten Resultate gezeitigt, so dass man sich dazu entschloss, der Anrufung durch ein Blutwerk unvorstellbaren Ausmaßes Nachdruck zu verleihen. Vanderbilt berichtet, die gesamte Bevölkerung des Orts, Männer wie Frauen, Alte wie

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