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Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka , Matthias Mösch , Alexander Flory
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Hervorragend, ich hatte ihnen einen Zeitvertreib verschafft! Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.
    Dann ließ ich los, landete abermals hart (den Seesack schützend an die Brust gedrückt), keuchte und rannte über das Deck zum Bug des Schiffes. Dort gestattete ich mir einen kurzen Blick zurück.
    Meine treue Verfolgerin und der Wachmann lieferten einander ein bühnenreifes Duell auf der Galerie. Sie kämpfte mit ihrem exotischen Schwert und hüpfte auf groteske Weise, wie mir schien, herum, wobei sie jedoch kontinuierlich an Boden verlor, und er drosch mit einem ordentlichen Stockdegen auf sie ein. Unter normalen Umständen war ein Stockdegen sicher nicht die geeignetste Waffe, um gegen ein Schwert anzutreten; unter normalen Umständen, dachte ich, würde eine Frau aber auch nicht die Klingen mit einem Mann kreuzen, schon gar keine Inderin mit einem Engländer. Zweifellos hatte er eine beeindruckende Kraft und vielleicht auch die effizientere Technik, aber sie bot ihm verflixt wenig Angriffsfläche und parierte seine Attacken mit ihrer breiteren Klinge. Nein, ich hatte keine Lust, es mit egal wem der beiden aufzunehmen.
    Ich legte auf ihn an, einfach, weil er mir in diesem Moment unsympathischer war, und schoss. Der Graphitstift traf seine Klinge und riss sie ihm aus der Hand. Klappernd fiel der Degen von der Galerie. Ein guter Schuss, wenn er denn Absicht gewesen wäre. Ich wollte noch einmal schießen, doch ein Ruck fuhr durch meinen Arm, und ich wusste, ich hatte meinen letzten Schuss abgefeuert. Gut für ihn!
    Doch schlecht für mich, denn statt sich weiter um den nun wehrlosen Wachmann zu kümmern, wie ich mir das erhofft hatte, schwang sich meine schöne Feindin nun gleichsam an Deck meines stolzen Schiffs, wobei sie noch im Landen die Seile hinter sich kappte. Sie blutete an der Schläfe, aber es stand ihr.
    Wohin? Ich blickte vom Bug herab und sah zu meinem großen Erstaunen eine schreckliche Bestie, einen Pterodaktylus mit ausgebreiteten Schwingen, der auf das Luftschiffes zuhielt, als wolle er es angreifen.
    Im selben Moment war mir, als brenne ein Widerstand in meinem Kopf durch, ein scheußlicher Schmerz schoss durch meine Augen und meine Stirn, und ich erkannte entsetzt, was sich da gerade ankündigte, obwohl ich es doch für unmöglich gehalten hatte. Teleelektrischer Transfer in zehn, neun ...
    „Nein, nein!“, schrie ich zornig wie ein kleines Kind und sprang in meiner Panik vom Bug des Schiffs auf den Rücken der Bestie, wodurch sie sich von einem ihrer Seile löste und wild hin- und herzuschwingen begann. Vier, drei ... ich schloss die Augen, klammerte mich an das verbliebene Seil, und weil mir nichts anderes blieb, biss ich hinein.
    Der Schmerz fräste sich durch mein Hirn.
    Ich befand mich in einem Lagerhaus, so viel konnte ich erkennen, auch wenn das Bild nicht so klar war, wie es hätte sein sollen. Auf dem Boden lag Stroh, Lampen warfen lange Schatten, und in diesen stand der Halbkreis der siebzehn Särge. Draußen hörte ich Pferdegewieher und das Knallen von Peitschen.
    „Sie sind schon fast hier!“ dachte ich. „Sie sind auf der Insel!“
    Vor den Särgen, auf einem Sockel, lag eine kleine Puppe, die wie ein Fetisch aus der Südsee aussah und in der ich voller Schrecken mich selbst wiedererkannte. Eine lange, kristallene Nadel durchbohrte ihren Schädel.
    „Der Ingenieur hat seine Herren enttäuscht“, sagte eine Stimme.
    „Statt ins Licht zu treten, klammert er sich an die Welt des Lehms“, sagte eine andere.
    „Er wird erkennen, wessen er entsagte, wenn wir erst das Licht von ihm nehmen.“
    „Nein, nein!“, schrie ich abermals, und irgendwo, an einem anderen Ort, schlug ich mir mit voller Wucht auf meine gebrochene Nase.
    Der Schmerz holte mich zurück. Keuchend kam ich wieder zu mir, auf dem in der freien Luft pendelnden Pterodaktylus. Irgendwo hörte ich das Poltern schwerer Schritte, und über mir, am Bug des Schiffes, stand die Inderin mit einem blutigen Schwert in der Hand. Meine Sicht war getrübt, einen Moment sah ich doppelt und dreifach, und sie hätte ebenso gut Kali sein können, wie sie da stand.
    Ich fluchte, griff nach meinem Messer, kappte das ächzende Seil und plumpste mitsamt der Flugechse zu Boden.
    Der Aufprall war wiederum schmerzhaft, und abermals war meine größte Sorge nicht, mir die Rippen zu brechen, sondern dass das Pyroglycerin in meinem Seesack explodieren würde. Blut floss in meine Augen, die Schmerzen in meinem Kopf waren

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