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Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka , Matthias Mösch , Alexander Flory
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dass nicht wir es gewesen waren, die den Palast gefunden hatten; er hatte uns gefunden.
    Ich sagte dem Leutnant, er solle sich nicht sorgen. Er habe die Fälle überlebt und werde auch das hier überleben. Er drückte meine Hand und erwiderte, er sorge sich nicht. Dann sagte er, in Wahrheit sei er an den Fällen ja gestorben – ich habe ihn nur zurückgebracht.
    Nachtrag
    Eine weitere Stunde ist vergangen; wir wappnen uns für den Augenblick, da Hall und O’Lannigan zu uns kommen. Manchmal hallen dumpfe Schläge durch den Tempel, und ab und zu glaube ich, die Stimme des Sergeanten zu hören – doch die Schläge sind nicht die einer menschlichen Faust, sondern donnern wie die eines Rammbocks, und die Stimme, die wir hören, hat die brutale Gewalt eines Riesen, der gegen seine Fesseln ankämpft.
    Wir warten, und wir sind bereit: Wir haben drei Musketen und einen großen Vorrat an Schwarzpulver, mit dem wir den Gang zur Bronzekammer präpariert haben, und während wir warten, bleibt mir nur noch eins zu tun – den letzten Stein ins Mosaik einzusetzen, die letzten Seiten aus Vanderbilts Bericht.
    Falls dies der letzte Eintrag meines Tagebuchs bleiben soll, so bitte ich Euch, wer immer Ihr sein mögt, es zurück nach England zu bringen und Nora und den Kindern meinen letzten Gruß zu entbieten. Möget Ihr ein guter Christenmensch sein und Weisheit walten lassen, wem Ihr das Wissen auf diesen Seiten enthüllt, und für meine Seele beten, auf dass Gott der Allmächtige in seiner Weisheit und Güte sich unser erbarme und uns einen Weg aus diesem Höllenloch weisen möge, in das wir selbst uns in unserem Hochmut gestoßen, wo Tod und Wahnsinn nur regieren, und sich eine ungeahnte Bedrohung für die ganze zivilisierte Welt verbirgt; eine Bedrohung, welche, so wir nicht zurückkehren, um vor ihr zu warnen, in einen tiefen Schlaf fallen und fürderhin warten mag, wie ein Tier, das den Winter überdauert, bis ihre Zeit wieder gekommen, die Sterne ihr abermals günstig stehen.
    Dass den armen Menschen auf dem großen Platze nicht mehr zu helfen war, daran bestand keinerlei Zweifel, also hefteten wir uns auf die Fersen jener Teufel, die dieses Blutbad zu Ehren ihrer schändlichen Götzen angerichtet. Wir gelangten alsbald in einen von einem schweren Tor bewachten Bezirk ihrer Höhle, das Zentrum ihres Kults, wo sie an ihrem heiligsten Hexenwerke geschmiedet: einer gläsernen Kuppel, die gleich einem Riesenauge in den nächtlichen Himmel hinausstiert, mit bronzenen Sehnen, kupfernen Nerven und einer strahlenden Linse, wie in einem keplerschen Modell umkränzt von Satelliten aus Kristall, drei an der Zahl, die sie auf gleichmäßigen Bahnen umkreisten. Ein unheimliches Leuchten ging von den Kristallen aus. Nie und nimmer habe ich gehört, dass Wilde, gleich wo auf dieser Welt, etwas Vergleichbares errichtet; und in dem Augenblick, in dem wir es erkannten, sahen wir, dass es zerstört werden müsste, um die Ordnung der Dinge wiederherzustellen.
    Unter jenem gläsernen Auge sammelten sich die Priester. Sie führten keine Waffen mit sich, und wie um ihr Gottvertrauen zu beweisen, ließen sie die Tücher von ihren Schultern und Gesichtern gleiten und boten uns die nackte Brust dar, auf der sie nur noch ihre schlichten Amulette trugen. Ihr Anblick erfüllte mich mit Ekel, denn offenkundig bedauerten sie in keiner Sekunde das blutige Handwerk, das sie noch vor wenigen Minuten unter den Gläubigen auf dem großen Platze vollzogen, und sahen doch keine Notwendigkeit, mit uns zu kämpfen – alle Vernunft, das war klar, wäre an diesen Kreaturen verschwendet!
    Leutnant Willems war der Erste, der seine Waffe hob und den vordersten von ihnen niederstreckte. Dann lud er mit ruhiger Hand nach, legte auf den zweiten Priester an und erschoss auch ihn. Dann ereignete sich ein grauenhaftes Schauspiel: Der erste Getroffene rappelte sich wieder auf und füllte die Reihen; stand, als ob ihn nie eine Kugel getroffen, obgleich auf seiner Brust doch deutlich sichtbar eine Wunde klaffte. Dann griff Fähnrich Lakerveld nach seiner Waffe und schoss; und dann schossen auch wir anderen, selbst der junge Fleerackers, dem das Entsetzen deutlich ins Gesicht geschrieben stand.
    Minutenlang schossen wir auf die Menge ein, luden nach, schossen wieder, und das Blitzen unserer Mündungsfeuer und der unheimlichen Kristalle erfüllte den donnernden Bauch des Berges. Immer wieder erhoben sich Getroffene und stellten sich schützend vor die Verbliebenen, die unter dem

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