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Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka , Matthias Mösch , Alexander Flory
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dass dieser Stein in den Händen des falschen Mannes Verheerung über uns alle bringen könnte, und verwahrte es. Das Amulett auf meiner Brust wärmte mich wie ein tröstender Funke.
    Wohl weiß ich um die Gefahren, das Schicksal, das uns allen droht! Daher wählte ich, als wir unsere Beute verteilten, für mich das Amulett, das bereits gestern meinen Geist mit dem der Menschen in meiner Umgebung verschmolz – schließlich muss ich von nun an auf der Hut sein. So kenne ich bald jedes Geheimnis, jede schmutzige Absicht, die Leutnant Willems’ Geist durchstreift; jeden Anflug von Verrat, der Fähnrich Lakerveld befällt; ich kenne die unverständige Gier, die Fleerackers antreibt, und die fahrlässige Überheblichkeit Leutnant Druyts’. Ich kenne meine Männer, und ich bin meine Männer; es ist, als könne ich sie ganz und gar durchdringen, wenn ich mich nur genug in sie vertiefe; und je länger ich das Amulett trage, desto mehr werde ich eins mit ihm.
    Der Leutnant ruft! Zeit zu gehen.
    Draußen beginnt es zu regnen.
    Dieses Tagebuch wird meine Worte und Taten für die Nachwelt bewahren; der schwarze Stein um meinen Hals aber wird mir und meinem Willen noch Wohnung sein, wenn diese Seiten und mein Fleisch lange zu Staub zerfallen sind.
    gez.
    Maj. Johan Vanderbilt,
    1. Mai 1779

3.
    Der Kristallpalast
    Mittwoch, 30. April 1851
    But, as I slept, me mette I was
    Within a temple made of glass;
    In which there were more images
    Of gold, standing in sundry stages,
    And more riche tabernacles,
    And with pierrie more pinnacles,
    And more curious portraitures,
    And quainte manner of figures
    Of golde work, than I saw ever.
    – Geoffrey Chaucer,
    The House of Fame

Sokrates Royle
    Ein Stein für Ada
    I ch fragte mich, ob es sein konnte, dass ich seit meiner Rückkehr nach London erst zweimal geschlafen hatte. Oder dreimal? Die Nachtschicht am Palast hatte meine innere Uhr durcheinandergebracht. Es konnten insgesamt nicht viel mehr als zehn Stunden gewesen sein, und der Morgen in den Docks kam mir wie eine Ewigkeit vor. Auch der Abend in der Alten Dschunke steckte mir noch in den Knochen. Zwar war ich immer der Ansicht gewesen, dass wer tüchtig genug war, sich volllaufen zu lassen, auch tüchtig genug zum Arbeiten sein musste – es hatte aber ganz den Anschein, als hätte ich mit Dongs Pflaumenwein endlich etwas gefunden, was meinem Talent echte Probleme bereitete.
    Außerdem musste ich mir eingestehen, der ein oder anderen Fehleinschätzung erlegen zu sein: Es war falsch gewesen, überhaupt noch am Palast vorbeizuschauen, und es war ein Fehler gewesen, zu glauben, ich könne dort alles selbst in die Hand nehmen. Irgendwie hatte es mich aber zum Palast gezogen; etwas in mir hatte sich danach gesehnt, dort unter den Glasdecken Ruhe zu finden und meinen Verstand zu klären. Nach wie vor fühlte ich mich für den Palast verantwortlich. Also hatte ich die Männer im Palast vor die Tür geschickt und meine Runde begonnen, als habe mir der Wicket-Keeper nie andere Weisungen erteilt.
    Ich musste mich fragen, ob es nicht der Palast war, der mich trunken machte.
    Doch Schritt für Schritt.
    Meine Taktik war immer gewesen, mich aufs Naheliegende zu konzentrieren, wenn eine Situation brenzlig wurde. Einige meiner Lehrer hatten das früh kritisiert; sie waren der Ansicht gewesen, ein guter Stratege müsse immer eine Vielzahl möglicher Folgen im Auge behalten, um die Konsequenzen seines Handelns einzuschätzen, und in einer nicht sehr schmeichelhaften Einschätzung meiner Fähigkeiten hieß es einmal, dass ich trotz meines berühmten griechischen Namensvetters zwar ein exzellenter Captain werden könne, aber nur ein äußerst mittelmäßiger Colonel. Da ich nun schon recht lange Captain war, mochte es sein, dass meine Kritiker recht behalten hatten. Andererseits sagte ich mir, dass die meisten von ihnen nicht halb so lange als Captain überlebt hätten wie ich, und niemand hatte je bestritten, dass ich es verstanden hatte, in Augenblicken einen kühlen Kopf zu behalten, in denen manch andere vor lauter Angst vor den möglichen Folgen gescheitert wären.
    Diese Gabe kam mir in diesen Stunden sehr zugute.
    Nachdem der vermaledeite Niederländer mich unter einem dieser Monster begraben und die Gelegenheit zur Flucht ergriffen hatte, hatte ich meinen Stockdegen gesucht und den Palast ohne große Worte den Wachleuten überlassen, die nur Sekunden nach dem ohrenbetäubenden Knall von überall herbeigeeilt kamen. Die Schäden im Westteil

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