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Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka , Matthias Mösch , Alexander Flory
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hatte sich das Tor geschlossen, und ich blockierte das Rad mit einem Stein, so dass Hall und O’Lannigan im Allerheiligsten gefangen waren.
    Eine Zeitlang hörte ich ihr dumpfes Hämmern auf der anderen Seite. Dann hörte es auf, und ich nahm an, dass sie die Nutzlosigkeit ihrer Wut erkannt hatten. Sie wussten aber ebenso wie ich, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis sie einen Weg finden würden, zu mir zu kommen.
    Ich kehrte zurück zur Halle der Schriftzeichen. Shiels stand unter dem Einfluss des Opiums und lag mit langsamem Atem auf seinem Lager. Cray studierte ein Stück entfernt im Schein seiner Laterne die Wände. Ich setzte ihn in knappen Worten darüber in Kenntnis, was geschehen war, aber er hörte mir kaum zu. Stattdessen schwärmte er von dem Kalender, den er entdeckt hatte, und den Legenden, von denen die Wände der Halle berichten, von gefallenen Sternen und einer heiligen Saat, die in die Herzen der Menschen gestreut werden sollte, um zur rechten Zeit die Ankunft der Götter vorzubereiten, die eine Ära segensspendender Herrschaft über alle Länder einleiten würde. Ich ließ ihn eine Weile reden, und dank der unheimlichen Macht, die mir nun zur Verfügung stand, sah ich in seinen Geist und erkannte die Wahrheit in seinen Worten oder das, was er dafür hielt – fast war es, als könne ich Cray und alles, was ihn ausmachte, in mich aufnehmen, wenn ich mich nur tief genug in den Aufbau seines Geistes versenkte.
    War dies die Gabe der Hellsicht, von der Vanderbilt in den letzten Tagen seines Lebens gesprochen hatte? Trug ich womöglich einen ebensolchen Stein wie er?
    Schließlich unterbrach ich Cray und fragte, ob er sich wirklich wünsche, dass diese heidnischen Götter zu uns herabstiegen, und er sah mich einen Moment lang verdutzt an. Dann sagte er, natürlich nicht.
    Ich fragte ihn, was ihn dann so besessen mache, und er antwortete, seine Absicht sei es, ihr Geheimnis zu lüften, um ihre Macht für uns nutzbar zu machen. Wenn dieser Palast dazu diente, dass sie zu uns gelangten, so Cray, dann könnten wir ihn ebenso benutzen, um zu ihnen zu gelangen.
    Ich hielt es für unnötig, ihm zu sagen, was ich davon hielt, und fragte ihn stattdessen nach dem Zustand des Leutnants. Cray erwiderte, der Leutnant habe die ganze Zeit auf seinem Lager geruht und geschlafen. Die Wunde an seinem Fuß aber habe sich entzündet und bräuchte dringend Behandlung.
    Ich sagte ihm, er solle sich bereithalten, und ging zu Shiels. Misstrauisch blickte Cray mir nach.
    Ich kniete mich neben den Leutnant und untersuchte seine Verletzung. Cray hatte nicht übertrieben; der Fuß sah schlechter aus als zuvor. Ich versuchte, Shiels zu wecken, aber es dauerte mehrere Minuten, in denen er mehrfach vom Träumen ins Wachen und wieder zurück glitt, bis er mich erkannte und lächelte.
    Was seien wir doch für armselige Kreaturen, sagte er. Ein verletzter Fuß sei genug, uns außer Gefecht zu setzen.
    Ich erklärte ihm, der Zeitpunkt, vor dem ich ihn gewarnt hatte, sei gekommen und es werde bald einen Kampf geben, zu dem wir jeden Mann bräuchten. Ich müsste, sagte ich, nur noch eines herausfinden.
    Das Tagebuch, riet er. Immer noch?
    Ich nickte. Dann nahm ich seine Hand. Ich sagte ihm, er müsse, wenn mir etwas zustieße, meine Aufzeichnungen an sich nehmen. Auf keinen Fall dürfe er zulassen, dass die Geschichte sich wiederholte und Vanderbilts Geheimnis in die Hände von Leuten wie Aaron Cray geriet. Sein Tagebuch solle er vernichten.
    Er drückte meine Hand und versprach es mir. Dabei sah er mir erst in die Augen, dann wanderte sein Blick langsam zu dem Amulett, das ich um den Hals trug. Eilig verbarg ich es unter meinem Hemd.
    Keine Sorge, sagte Shiels; er könne ein Geheimnis für sich bewahren. Dann rollte er sich ein kleines Stück zur Seite und enthüllte den Blick auf ein doldenförmiges Behältnis, das er unter seiner Decke versteckt hielt. Es war eines der Behältnisse, wie wir sie auch in der schrecklichen Halle gefunden hatten, aber größer und unversehrt von Flammen.
    Ich fragte, wo er dieses Artefakt gefunden habe, und er sagte, er wisse es nicht mehr. Das Opium habe ihn zu sehr betäubt, und er könne nicht mehr sagen, was Wirklichkeit sei und was Traum. Er glaube aber, an diesem Ort geschähen böse Dinge und auch Cray habe etwas gefunden, das er vor uns versteckt hielt. Ich nickte wieder, und wie wir da saßen und ich mich fragte, ob er mir wirklich alles erzählt hatte, befiel mich mit einem Mal der Gedanke,

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