Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)
des Palasts waren enorm; wahrscheinlich würde man diesen Teil der Ausstellung vorerst schließen müssen, und einige Glassegmente mussten ersetzt werden. Das verdammte Känguru ließ ich beseitigen, und die Versammelten wies ich an, ja keine Fragen zu stellen. Die Eröffnung sah ich aber nicht grundlegend gefährdet, und deshalb sah ich auch keinen Anlass, mich deswegen verrückt zu machen. Wichtiger war, herauszufinden, weshalb diese beiden Saboteure immer und immer wieder den Palast heimsuchten wie notgeile Matrosen ein Bordell, von dem sie doch wissen, dass sie sich dort nur die Syphilis holen.
Genau wie ich.
Ein Teil von mir kannte die Antwort, auch wenn ich sie noch nicht hören wollte. Es war der Teil von mir, der immer mehr darauf drängte, das Denken für mich zu übernehmen und der wie bei vielen Männern in der Hose saß. Allerdings auf der falschen Seite meiner Hose.
Der Gedanke kam mir auf dem Weg nach draußen, und ich musste kichern, was sonst nicht meine Art ist, aber wer hätte gedacht, dass ich eines Tages Streitgespräche mit meinem eigenen Arsch führen würde. Die Arbeiter und Aufräumer sahen mich kopfschüttelnd an, wie ich rußgeschwärzt und blutverschmiert davontorkelte, mich zusammenreißen musste, um nicht über meine eigenen Füße zu stolpern, und dabei trotzdem irre kicherte.
Draußen, in der kalten Luft, klärte sich mein Verstand. Ich fühlte mich mit einem Mal sehr müde, und die Schmerzen in meiner Brust waren beträchtlich. Ich vermutete, dass ich mir bei der Detonation ein paar Rippen geprellt hatte. Wenn ich Pech hatte, war eine angebrochen, aber auch das war etwas, worüber ich mir erst Gedanken machen wollte, wenn es sich nicht mehr vermeiden ließ. Für den Augenblick wollte ich frisches Wasser, einen Verband und vielleicht einen Kaffee.
Ich sah zum Horizont. Es dämmerte, und die Vögel im Park verbreiteten eine ziemliche Unruhe. Die Laternen auf der Straße brannten noch, die Anzünder aber waren schon unterwegs, sie zu löschen. Ein Zeitungsjunge rief in der Ferne, und die ersten Droschken klapperten über die Straßen vor dem Park. Auf der anderen Seite der Themse würden die Fabriken gerade ihre Tore öffnen und die grauen Massen der Arbeiter mit gesenkten Gesichtern über die Schwelle trotten. Ich überlegte, ob ich zum Club gehen sollte.
Ich beschloss, es zu lassen.
Stattdessen suchte ich mir eine Pension. Wäre ich im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte gewesen, hätte ich etwas früher erkannt, um was für eine Art von Pension es sich handelte, und als ich es dann erkannte, empfand ich vor allem Verdruss über die Ungeschicklichkeit des Personals. Das Mädchen, das mich behandelte, hatte rotes Haar und einen starken irischen Akzent, und ihre Fingernägel waren lang und kratzten mich mehrmals, während sie mir ziemlich stümperhaft einen Verband anlegte. Wahrscheinlich hatte sie ebenfalls eine lange Nacht hinter sich und war nicht ganz bei der Sache. Der Verband jedenfalls saß viel zu locker um meine Brust, und der Kaffee, den sie mir gekocht hatte, war wässrig und nicht richtig heiß, und seit meiner Zeit in Brasilien wusste ich, wie guter Kaffee schmeckt. Ich musterte uns in dem Spiegel auf dem Zimmer, und sie sah, dass ich unzufrieden mit ihr war und schmollte. Ich überlegte, ob ich eine andere Dienstleistung in Anspruch nehmen sollte – etwas, das sie gelernt hatte –, aber ich war müde und verspürte keine Lust auf sie. Ich versuchte zu schlafen, aber es führte zu nichts.
Gegen Mittag beschloss ich, nach Hause zu gehen.
Ich ging zu Fuß, weil ich mir sagte, es könne vorteilhaft sein, wenn ich aussah, als habe ich gerade eine lange Strecke zu Fuß zurückgelegt. Ada schätzte Ehrlichkeit, zumindest sagte sie das und hatte mir noch nie Grund gegeben, diese Aussage anzuzweifeln. Sie an diesem Mittwochmorgen geschniegelt und gestriegelt aufzusuchen, volle drei Tage, nachdem ich aus Übersee zurückgekehrt war, wäre irgendwie unehrlich gewesen; wie ein Spiel, bei dem man tat, als bräuchte man keine Hilfe. Natürlich hätte ich trotzdem eine Droschke nehmen können, aber die Wahrheit war, ich brauchte noch etwas Zeit, um mir darüber klarzuwerden, was die Wahrheit eigentlich war, und wie ich es drehte und wendete, es führte kein Weg daran vorbei: Ich brauchte tatsächlich ihre Hilfe, denn ich hatte keine Ahnung von der Wahrheit. Also beschloss ich, mir nicht länger Gedanken darüber zu machen und zu sehen, ob sie mir helfen würde oder nicht.
Ich
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