Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)
töten, wenn er mir die Gelegenheit gab, aber bis dahin war mir die Gesellschaft gegnerischer Agenten deutlich lieber als die von Verrückten.
Leider meinte es das Schicksal nicht gut mit mir. Kaum hatten wir den Salon betreten, tauchte die wahnsinnige Inderin neben ihm auf. Sie bewegte sich steif, vermutlich trug sie Verbände, wo ich sie mit meinem Degen erwischt hatte. An der Schläfe hatte sie eine Hautabschürfung, und ihrem Blick sah ich an, dass sie keinen meiner Treffer vergessen hatte. Ihr seltsames Schwert trug sie immer noch auf dem Rücken.
Was mich aber zur Weißglut brachte, war, dass sie eines von Adas Kleidern genommen hatte. Ich kannte es gut; ich hatte es selbst gekauft, ehe ich nach Südamerika aufgebrochen war. Es hatte mir gefallen, weil es etwas mehr Farbe und etwas weniger Stoff hatte als die Sachen, die Ada normalerweise trug. Ada war das Kleid, glaube ich, immer zu freizügig gewesen, und es nun am Körper der Inderin zu sehen und Adas Seife an ihrer Haut zu riechen machte mich nur noch wütender.
„Nehmen Sie Platz“, sagte der Niederländer, und ich umrundete den Wohnzimmertisch und ließ mich auf mein Sofa sinken. Ich bewegte mich langsam, denn ich wollte nicht, dass man meine eigenen Verletzungen bemerkte.
Einen Augenblick schien die Zeit stillzustehen, denn auf lachhafte Art war alles wie immer: das sanfte Geräusch, mit dem die Sitzbank nachgab, das schwache Aroma der Möbelpolitur, das leise Ticken der Uhr am Kamin. Ganz sicher hatte ich mir meine Rückkehr nicht so vorgestellt.
Der Niederländer feixte und nickte der Inderin zu. Sie schob einen Sessel für Ada heran. Mit einer gewissen Genugtuung stellte ich fest, dass sie Schwierigkeiten hatte, den rechten Arm zu benutzen. Das hinderte sie aber nicht daran, Ada grob in den Sessel zu stoßen. Dann zog sie ihr Schwert und hielt es ihr von hinten an die Kehle, damit der Niederländer einen Abstecher zur Bar machen konnte.
Ada sah mich herausfordernd an, und ich vergaß alle Zweifel, die mich die letzten Tage gequält hatten.
„Lassen Sie meine Frau gehen“, sagte ich. „Sie haben ja jetzt mich.“
„Ihrer Gattin wird nichts geschehen“, sagte der Niederländer, während er schnüffelnd den Inhalt unserer Bar untersuchte. „Tun Sie einfach, was wir sagen.“
„In Ordnung“, sagte ich. „Was wollen Sie?“
„Bringen Sie uns den dritten Kristall“, sagte die Inderin.
Fast hätte ich laut gelacht. „Was?“, fragte ich.
Ada wandte den Blick von mir ab.
„Tun Sie nicht dümmer, als Sie sind“, fauchte die Inderin. Ich war recht sicher, dass sie Schmerzen hatte. Unseren nächsten Kampf würde sie verlieren, und das wusste sie. „Was glauben Sie eigentlich, was Sie da bewachen? Ihre Leute haben den Bau des Palastes von Anfang an überwacht. Es würde mich nicht überraschen, wenn es sogar Ihre Idee war.“
„Sie tun dem Prinzgemahl unrecht“, sagte ich. „Er war es, der eine Ausstellung wollte.“
„Er hat aber höchstwahrscheinlich nicht die leiseste Ahnung von der wahren Funktion des Palastes. Ebenso wenig wie die meisten Mitglieder der Kommission. Was ist mit Paxton? Haben Sie ihn gekauft?“
„Augenblick“, sagte ich und schüttelte den Kopf. „Der wahren Funktion?“
„Sie denken doch nicht etwa, der Palast wurde tatsächlich für so etwas Schwachsinniges wie eine Weltausstellung gebaut?“, lachte der Niederländer über die Schulter. Er zog einen Mundwinkel hoch und sah aus wie ein Marder vor dem Zubeißen. „Seien wir mal ehrlich, niemand braucht eine Weltausstellung, schon gar nicht in London.“
„Damit haben Sie recht“, kam ich ihm entgegen. „Doch warum wurde der Palast dann gebaut?“
Der Niederländer öffnete eine Flasche Port, hob eine Braue und goss uns ein. Die Inderin schüttelte ungeduldig den Kopf, als er ihr ein Glas anbot, und Ada würdigte ihn keines Blickes, was er mit einem Achselzucken quittierte.
„Drei Steuerelemente aktivieren den Palast“, erklärte die Inderin, als rede sie mit einem begriffsstutzigen Kind. „Eines war im Besitz Sir Malcolms, wie Sie wissen.“
„Ach?“
„Ein weiteres haben Sie versucht, mit Gewalt an sich zu bringen“, fuhr der Niederländer fort und schob mir über den Tisch hinweg ein Glas zu. „Sie haben ein ziemliches Durcheinander in einem Büro in den Docklands hinterlassen.“
„Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden“, sagte ich wahrheitsgemäß.
„Sir Malcolm wollte Ihnen seinen Stein verkaufen“, beharrte die
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