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Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka , Matthias Mösch , Alexander Flory
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nahm die Baker Street Richtung Norden. Es war ein bizarrer Tag. Die Anspannung der Menschen erinnerte mich ein wenig an Rio, den Vorabend zu Weihnachten. Jeder hatte sich auf den Festtag vorbereitet, aber irgendwie war es uns Briten falsch vorgekommen, Weihnachten bei strahlendem Sonnenschein und 75 Grad Fahrenheit im Schatten zu begehen. Hier in London war es ähnlich, nur dass es diesmal die ganze Stadt war, die das Gefühl hatte, etwas gehe nicht mit rechten Dingen zu. Die Londoner versuchten, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, aber eigentlich wollten sie diesen ganzen Trubel nicht.
    Ich sah einige Schweizer, oder vielleicht waren es Deutsche, die eine alte Frau bedrängten, ihnen den Weg zu weisen, und die alte Frau versuchte zu entkommen, aber sie ließen sich einfach nicht abwimmeln. Ich sah eine Gruppe dunkelhäutiger Männer in Anzug und Zylinder, die ganz offensichtlich wenig Erfahrung damit hatten, Anzug und Zylinder zu tragen und sehr viel angeheiterter waren als ich. Einer von ihnen versuchte, ein Zitroneneis zu essen, schaffte es aber nicht, was bei seinen Freunden zu unkontrollierten Lachkrämpfen führte. Ich sah eine Sänfte, die von dicken, geschminkten Männern getragen wurde, und hinter der Sänfte war ein Kamel angebunden. Ich sah einen Affen, der eine Laterne erklommen hatte und den Polizisten, der versuchte, ihm nachzuklettern, mit Kot bewarf. Nein, das war nicht mehr London, und die Londoner wussten das. Es war eine Sache, ein Empire zu haben, aber eine andere, es plötzlich vor seiner eigenen Haustür zu finden.
    Ich bog in eine Seitenstraße, um flotter voranzukommen. Die Seitenstraße war voller Bettler und Obdachloser, und ich kam fast noch langsamer voran, weil ich jetzt über die hingestreckten Leiber in der Gosse steigen musste, aber darin hatte man als echter Londoner immerhin Erfahrung. Dennoch bog ich bei der ersten sich bietenden Gelegenheit wieder auf eine größere Straße, denn ich wollte keinen Schmutz an den Füßen haben, wenn ich Adas Haus betrat.
    Unser Haus, berichtigte ich mich.
    Erleichtert stellte ich fest, dass der Hauptstrom exotischer Besucher nicht durch unsere Straße ging. Tatsächlich sah unsere Straße fast so aus, wie ich sie in Erinnerung hatte. Ehe ich mich’s versah, hatten mich meine Schritte vor unsere Tür gelenkt. Eine Weile stand ich auf der anderen Straßenseite und betrachtete unsere Tür.
    Unser Haus war klein, aber es lag in einem guten Viertel, wenn der Prinzgemahl die Tore der Stadt nicht gerade für Gott und die Welt geöffnet hatte, und es war unser Haus. Das hieß, Ada hatte es mit in die Ehe gebracht, vorher hatte es ihrem Vater gehört, dem Baron Berwick, der ja Geld genug hatte. Ich hatte bis dahin eher asketisch gelebt, weil ich fand, dass ich nicht viel brauchte, wo ich doch ohnehin oft im Einsatz oder auf Reisen war und es in jeder Stadt einen Club gab, wo ich willkommen war. Am Anfang war es deshalb ungewohnt gewesen, mit Ada zusammenzuwohnen, und es hatte eine Weile gebraucht, bis ich sie davon überzeugt hatte, sich von einigen der alten Möbel ihres Vaters zu trennen, und ich mir nicht mehr wie ein Gast in meinem eigenen Heim vorkam.
    Ich sparte. Das meiste Geld, das ich verdiente, lag auf einem Konto bei der Bank, damit wir uns eines Tages ein eigenes Haus kaufen konnten. Ein Landhaus vielleicht, irgendwo in Kent oder sogar auf den Inseln. Ich glaube nicht, dass Ada das von mir erwartete – ihr ein neues, größeres Haus zu kaufen, meine ich –, aber wenn man erst einmal einen Blick auf die ruhigeren, sonnigeren Flecken des Planeten geworfen hat, lernt man ein bisschen Sonne und Einsamkeit zu schätzen. Australien vielleicht ausgenommen.
    Ich lächelte, als ich daran dachte, wie wir uns im Sommer nach der Hochzeit eine Kutsche gemietet hatten und durch Südengland gefahren waren. Ich hatte Urlaub gehabt, und wir waren vier Tage oder fünf unterwegs gewesen wie zwei reiche, vornehme Herrschaften und hatten uns mögliche Häuser und sogar das ein oder andere Stückchen Land angesehen. Wir hatten uns benommen wie ein verdammter Earl und seine Frau und uns schließlich entschlossen, keins der Objekte zu kaufen, denn irgendwie war alles nicht so gewesen, wie wir es uns vorgestellt hatten. Entweder war das Haus zu kalt oder der Garten zu steil, die Nachbarn zu unhöflich oder die Gegend zu verkommen gewesen. Ada wollte aber nicht einfach irgendetwas, nur weil wir gerade Zeit und Geld hatten, und ich wollte Ada glücklich machen, und

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