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Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka , Matthias Mösch , Alexander Flory
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so hatten wir beschlossen, noch eine Weile zu warten.
    Natürlich war das vor China und dem Krieg gewesen.
    Als ich vom Yong zurückkam, war alles anders.
    Ich riss mich aus meinen Gedanken, als ich eine Bewegung hinter den Vorhängen sah. Höchstwahrscheinlich stand ich schon seit zehn Minuten hier auf dem Gehweg, wenn nicht länger, und ich wollte Ada nicht glauben machen, ich bekäme kurz vor dem Ziel noch kalte Füße. Außerdem gab ich ein schlechtes Bild für die Nachbarn ab.
    Ich strich meinen schmutzigen Anzug glatt und biss die Zähne zusammen, als ich an meine schmerzenden Rippen stieß. Dann überquerte ich die Straße. Wie es meine Art war, griff ich im Gehen nach dem Schlüssel in meiner Tasche. Im letzten Augenblick besann ich mich eines Besseren und klopfte an.
    Zuerst regte sich nichts. Dann hörte ich gedämpfte Schritte. Die Riegel auf der Innenseite wurden umgelegt, und die Tür öffnete sich.
    Vor mir stand Ada.
    „Hallo, Sokrates“, sagte sie.
    „Hallo, Ada“, sagte ich.
    Ihr Gesichtsausdruck war geistesabwesend, fast reglos. Sie war blasser, als ich sie in Erinnerung hatte, aber noch genauso schön. Ihr Kinn trug sie hoch, wie immer, aber ihre Augen waren gerötet, und sie war wacklig auf den Beinen. Hatte sie geweint? Verdammt, ich hoffte, sie hatte nicht getrunken oder so etwas.
    „Kann ich hereinkommen?“
    Sie nickte und machte ein paar zögernde Schritte in den Flur zurück, ohne den Blick von mir zu nehmen. Was war mit ihr los?
    Ich trat ein und schloss die Tür hinter mir.
    „Wie geht es dir?“, wollte ich fragen, und vielleicht fragte ich es auch, als ich mich ihr wieder zuwandte, doch im selben Augenblick gab es hinter ihr ein Flackern in der Luft, wie wenn einer Flamme das Öl ausgeht, und auf einmal stand dieser Niederländer hinter ihr und hielt ihr etwas an den Hals, bei dem es sich offenbar um eine Waffe handelte, denn er grinste mich ziemlich selbstzufrieden an. Ich registrierte, dass er eines meiner Hemden und eine meiner Hosen trug, die ihm beide zu groß waren, und fand, mit seiner dicken Nase und den Schatten unter den Augen sähe er aus wie ein Clown. Mir war aber nicht zum Lachen zumute.
    Ada zuckte zusammen, regte aber keinen Muskel.
    „Willkommen daheim, Captain“, sagte der Niederländer. „Wir begannen schon zu fürchten, Sie würden gar nicht mehr kommen.“
    Ich sagte nichts und trat einen Schritt auf ihn zu.
    „Das ist nah genug“, warnte er mich und hob einen Finger. „Dieses Ding hier an meinem Handgelenk“ – er drehte es etwas, damit ich einen besseren Blick darauf hatte – „kann äußerst starke Stromschläge austeilen. Todbringende, wenn ich es will. Sie wissen, wozu ich in der Lage bin.“
    Ich zögerte. Ich hatte keine Ahnung, wozu er in der Lage war. Er hatte einen Freimaurer erschossen, war nackt durch den Hydepark gerannt und hatte die australische Abteilung im Kristallpalast verheert. Noch konnte ich darin kein Muster erkennen.
    Ein Blick in Adas Augen aber zeigte mir, dass sie Angst vor ihm hatte. Höchstwahrscheinlich hatte er ihr das Ding an seinem Arm schon demonstriert, und ich nahm an, dass er damit auch den Dinosaurier gesprengt hatte. Ich wünschte, ich hätte die Angst in Adas Augen früher gesehen. Leider war sie immer gut darin gewesen, ihre Gefühle zu verbergen.
    „Wie Sie meinen“, sagte ich und entspannte mich.
    Er wich in den Flur zurück und zog Ada dabei mit sich. „Warum begleiten Sie mich nicht in den Salon?“, schlug er vor.
    „Sie laden mich in mein eigenes Haus ein?“, fragte ich ihn.
    „Nach Ihnen“, grinste er, „und stellen Sie doch bitte Ihren Stockdegen in die Ecke. Ich habe gesehen, wie Sie damit umgehen, und habe bereits schlechte Erfahrungen mit versteckten Klingen gemacht.“
    Ich tat, wie mir geheißen, und trat langsam an ihm vorbei in den Salon. Mir entging nicht, wie zerschlagen er war. Er wirkte unruhig, wie ein Tiger vor dem Sprung, und manchmal zuckten seine Augen, als bemerke er aus den Augenwinkeln etwas, was nur er sehen konnte. Trotz der frischen Kleidung roch er immer noch nach Rauch und Schmutz. Wahrscheinlich hatte er sich seit unserer letzten Begegnung auch nur eine Katzenwäsche gegönnt, und sicher hatte er genauso wenig geschlafen wie ich.
    Er vergaß jedoch nicht, einen Mindestabstand zu mir zu halten, und jede seiner Bewegungen war präzise und geübt wie bei einem Tänzer. In gewisser Weise beruhigte mich das. Ich war auf vertrautem Terrain. Natürlich würde ich ihn sofort

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