Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)
Inderin.
„Sie waren auch bei de Boer, als er starb“, ergänzte der Niederländer. „Auf äußerst unappetitliche Weise, wie ich anmerken möchte.“
„Alle Fäden laufen bei Ihnen zusammen“, schloss die Inderin. „Sie waren es die ganze Zeit.“
„Sie würden auch nicht einen solchen Aufwand betreiben, wenn Sie nicht genau wüssten, wo sich das letzte Artefakt befindet, das es zum Antrieb des Palasts benötigt“, lächelte der Niederländer und nippte an seinem Glas. „Also?“
Ich war sprachlos. Nicht nur der absonderlichen Anschuldigungen wegen, mit denen man mich konfrontierte, sondern weil Teile – winzig kleine Teile – dessen, was sie sagten, Sinn zu ergeben schienen. War de Boer nicht dieser Kaufmann, den die Sektion schon länger im Verdacht hatte, mit mehr als nur Tabak und Kaffee zu handeln? Hatte der Wicket-Keeper mich nicht selbst auf diesen Sir Malcolm gestoßen? Hatte er nicht vielleicht etwas mehr Interesse am Palast gezeigt, als es für einen reinen Wachauftrag notwendig gewesen wäre – und wieso dieses seltsame Gefühl, das mich immerzu überkam, wenn meine Gedanken zu lange um den Palast kreisten?
Mir schwirrte der Kopf. Ich fragte mich, was diese beiden Verrückten, die einander noch vor kurzem wie Katz und Maus gejagt hatten und nun in trauter Eintracht in meinem Wohnzimmer saßen, wussten, das ich nicht wusste.
„Ich will nicht, dass Ada etwas geschieht“, erklärte ich, „und will Sie daher nicht ärgern. Aber verflucht, wenn Sie wollen, dass ich Ihnen helfe, müssen Sie sich schon klarer ausdrücken.“
„Er weiß es wirklich nicht“, seufzte die Inderin.
Der Niederländer warf ihr einen zweiflerischen Blick zu. „Im Ernst? Möglicherweise ...“
Sie hob die Hand, starrte mich angestrengt an, dann nickte sie.
Der Niederländer seufzte nun seinerseits und stellte sein Glas ab. „Ich bin gleich wieder da.“ Er verschwand in die Küche, wo ich ihn herumwühlen hörte. Die Inderin ließ mich die ganze Zeit nicht aus den Augen, aber ich wandte meinen Blick nicht von Ada, was die Inderin zu ärgern schien. Ada aber hatte den Kopf zur Seite gedreht, so dass sie weder mich noch die Klinge an ihrem Hals sehen musste, und studierte die Uhr auf dem Kamin.
Der Niederländer kam mit zwei großen, doldenförmigen Objekten zurück, die er vor uns auf den Tisch stellte. Dann ließ er sich in den letzten freien Sessel fallen und öffnete eines davon.
Im Inneren befand sich ein funkensprühender Kristall, so groß wie eine Kastanie.
„Wir suchen so etwas“, erklärte er höflich.
Ich staunte. Ich hatte noch nie ein so großes Juwel gesehen.
Außer natürlich ...
„Ich kann Ihnen helfen“, sagte ich. „Es wird aber etwas dauern.“
Die Augen der Inderin zuckten gereizt.
„Der Stein ist im Hauptquartier“, erklärte ich, „und wie Sie sich denken können, kann ich nicht einfach ins Hauptquartier spazieren und ihn mitnehmen.“
„Sie werden sich schon etwas einfallen lassen“, sagte die Inderin und drehte ihre Klinge wenige Millimeter, so dass sie blitzte. Ada versteifte sich. „Sonst ...“
„Das werde ich wohl müssen“, stimmte ich zu, und die Inderin verstummte. „Unter einer Bedingung.“ Ich richtete den Blick auf den Niederländer, der sich gemütlich mit seinem Portwein im Sessel fläzte, und atmete tief durch. „Ich will dabei sein.“
„Oh?“ Den Niederländer schien meine Bedingung zu belustigen.
„Allerdings“, nickte ich und war selbst überrascht über meine Worte. Ich wartete, bis ich sicher war, dass er mich verstanden hatte. „Ich bringe Ihnen den Stein, aber was immer Sie im Palast vorhaben – ich werde dabei sein.“
Die beiden tauschten Blicke. Ich sah, dass es ihnen missfiel und dass sie mir und auch einander nicht viel mehr trauten als ich ihnen. Schließlich zuckte er die Achseln.
„Drei Steine“, sagte er. „Drei von uns, die den Palast öffnen.“
Die Inderin biss die Lippen zusammen und erwiderte nichts.
„Wir treffen uns am Nordeingang“, beschloss er. „Eine Stunde nach Sonnenuntergang. Sie bringen den Stein, und Sie kommen allein und pfeifen die Wachen zurück. Wir werden uns erst zeigen, wenn Sie alle Bedingungen zu unserer Zufriedenheit erfüllt haben. Dann kriegen Sie Ihre Gemahlin und die Gelegenheit, einem Meister bei der Arbeit zuzusehen.“
„Woher weiß ich, dass ich Ihnen trauen kann?“
Der Niederländer lachte und prostete mir zu. „Sie haben mein Ehrenwort.“
Ich erhob mich. Mein Glas hatte
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