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Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka , Matthias Mösch , Alexander Flory
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etwas entgegnen, aber die Kleine hielt ihn zurück.
    Was soll ich sagen? De Boers Safe war die größere Herausforderung gewesen, selbst wenn mir nach den Strapazen der letzten 48 Stunden doch ein wenig die Finger zitterten und jede hastige Bewegung kleine Glöckchen in meinem Kopf klingeln ließ.
    Die Tür schwang auf.
    Auf dem Boden des Sockels, auf einer filigranen Mechanik, saßen der Koh-i-Noor und zwei kleinere Steine, die ihm Gesellschaft leisteten. Ich streckte gierig die Hand danach aus, als die Kleine mir auf die Finger schlug. Meine Mutter hatte das immer getan, wenn ich wieder nach etwas gegriffen hatte, was ich nicht haben sollte.
    Wütend schaute ich zu ihr hoch.
    „Sie kennen doch sicher den Fluch, der auf dem Stein lastet, oder?“, fragte sie freundlich. „Wem immer dieser Stein gehört, besitzt die Welt – und all ihr Leid. Nur ein Gott kann ihn gefahrlos tragen. Oder eine Frau.“
    Gegen so viel weibliche Überzeugungskraft war ich machtlos, also gestattete ich ihr, den Kristall an sich zu nehmen. Ich fragte mich, ob sie es nicht vielleicht auf die beiden Diamanten abgesehen hatte, aber als sie sich mit verzücktem Gesicht wieder aufrichtete, den großen Stein auf ihrer Handfläche, erkannte ich, dass sie gar nichts anderes im Sinn hatte. Auch über die Leuchtkraft des Kristalls konnte man sich nicht mehr beschweren – es war, als spürte er unsere wohlmeinende Nähe, und wieder einmal war damit bewiesen, dass in den richtigen Händen einfach alles erblühte.
    Erschrocken riss ich mich aus meinen Gedanken, als ich erkannte, dass wir Royle für einige Momente unbeobachtet gelassen hatten. Doch meine Sorge war unbegründet; er war ebenso in den Anblick des kleinen Wunders versunken wie wir, und sein leicht dümmlicher Gesichtsausdruck erinnerte mich an den eines Knaben, den ich einmal in einem Amsterdamer Bordell gesehen und der gerade gelernt hatte, was eine Frau mit ihren Lippen und Zähnen noch alles tun konnte außer essen und sprechen.
    Tatsächlich, so fand ich, entbehrte unsere Zusammenkunft zu dieser unwahrscheinlichen Stunde, an diesem unwahrscheinlichen Ort, nicht einer gewissen peinlichen Intimität. Ein Teil von mir hätte dem störrischen Engländer gerne den Hals umgedreht, und ich nahm an, dass es ihm nicht viel anders erging. Bei der Kleinen folgte ohnehin eine absonderliche Gefühlsregung der nächsten. Dies war sicher auch auf die Übermüdung zurückzuführen, gegen die wir beide anzukämpfen hatten (seit unserem stürmischen Kennenlernen gestern Nacht hatten wir schließlich auf die frigide Kleiderpuppe achtgeben müssen, die der Captain ein Eheweib schimpfte). Wir waren aber auch ein wenig übergeschnappt, wir alle drei, und irgendwie hassten wir einander und brauchten einander doch, und obwohl es uns Angst machte und vielleicht auch ein wenig ekelte, was mit uns geschah, konnten wir uns doch ebenso wenig davon lösen, wie jener Junge damals im Amsterdam die schmatzenden Lippen aus seiner Leistengegend hatte drängen können.
    Ich zurrte meinen Sack wieder zu und schlang ihn mir um die Schultern.
    „Was jetzt?“, fragte der Captain, und ich grinste, als ich sah, wie sein Blick auf der Kleinen ruhte, oder genauer auf dem, was sie in ihrer Faust hielt, und gar nicht mehr auf seiner Frau, die sich nicht schlecht machte als fünftes Bein eines ausgestopften Dickhäuters.
    „Jetzt steigen wir empor ins Licht“, erklärte ich und wandte mich dem nächsten Aufgang zum Transept zu.
    Es war an der Zeit – das Pfeifen und Surren in meinem Kopf war zurück, und es fühlte sich an wie ein dunkler Heuschreckenschwarm, der über uns aufzog.
    Der Ingenieur ist am Ziel!

    Der Niederländer machte ein Gesicht, als habe eine kalte Hand seine edelsten Teile zusammengedrückt. Ich war weder froh noch sonderlich stolz darauf, mit ihm und der Inderin gemeinsame Sache zu machen. Eigentlich hätte ich sie im ersten Augenblick, da ihre Aufmerksamkeit nachließ, überwältigen sollen. Ich war sicher, ich hätte es geschafft, vor allem, nachdem Ada nicht mehr in direkter Gefahr schwebte. Ich hätte sie beide in Gewahrsam bringen können; ihn hätte man höchstwahrscheinlich gehängt, ehe irgendwer davon Wind bekam, und sie wäre lange Zeit in einer Anstalt oder einem Arbeitshaus verschwunden. Oder ich hätte sie einfach beide erledigt und als Einbrecher hingestellt. Was meiner Geschichte an Glaubwürdigkeit fehlte, hätte der Admiral mit seinem Einfluss wettgemacht.
    Ich tat jedoch nichts von

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