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Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka , Matthias Mösch , Alexander Flory
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verborgen waren, die die Einsatzgebiete unserer gegenwärtigen Missionen zeigten.
    Der Wicket-Keeper saß in seinem Klubsessel und betrachtete einige Baupläne, die vor ihm auf dem Schreibtisch lagen. Von einer der seltenen Gelegenheiten, zu denen ich ihn außerhalb seines Büros gesehen hatte, wusste ich, dass er einen künstlichen Fuß unter seinem Tisch verbarg und eine Gehhilfe benutzte; ein Andenken an einen alten Einsatz, wie ich annahm. Mit der runden Nickelbrille, die unter bogenförmigen, buschigen Augenbrauen auf einer nicht gerade kleinen Nase saß, die genau die gleiche Bogenform vollzog wie die Brauen, mit seinem schmalen Mund und dem runden Kinn darunter hätte er Isaac Disraelis Bruder sein können, und man sah ihm nicht im Geringsten an, dass er mehr Macht in seinen Händen hielt als Lord John Russell oder sonst jemand in der Regierung.
    „Gut, Sie sind hier“, stellte der Wicket-Keeper fest, als er von den Plänen auf seinem Schreibtisch zu uns aufblickte. Wir standen wie immer vor seinem Tisch, da der Wicket-Keeper keine Sitzgelegenheiten in seinem Büro hatte außer für sich selbst. „Wie war die Überfahrt?“
    „Ruhige See und zwei Wochen lang kein Wölkchen am Himmel“, berichtete Wymer.
    „Gut“, nickte der Wicket-Keeper. Die eine Frage nach unserer Rückreise musste als Höflichkeitsgeplänkel genügen. Nun kam er zur Sache. „Ich darf vermuten, Sie haben etwas für mich?“
    Ich nickte und legte das kleine Säckchen auf den Tisch.
    Der Wicket-Keeper zog die Schnur auf und ließ etwas herausfallen, das wie ein murmelgroßer Halbedelstein aussah. Der Wicket-Keeper hielt das Ding zwischen Daumen und Zeigefinger gegen das Gaslicht seiner Lampe. „Irgendeine Ahnung, um was für ein Talent es sich handelt?“
    „Nur Mutmaßungen“, entgegnete ich. „Die Zielperson wollte das Talent nicht freiwillig übergeben, und es entwickelte sich ein Handgemenge. Der Mann war mir im Nahkampf nicht gewachsen und stellte keine Gefahr für mich dar, auch wenn ich derzeit nicht talentiert bin. Aber es fiel mir schwer, seiner habhaft zu werden, weil er jeden meiner Angriffe vorherzusehen schien. Da der Mann mit Sicherheit keine Nahkampfausbildung genossen hatte, muss das mit dem Talent zu tun haben.“
    Der Wicket-Keeper zog eine Braue hoch. „Sie vermuten Telepathie?“
    Wymer schüttelte den Kopf. „Das glaube ich nicht. Wenn die Zielperson Telepath gewesen wäre, hätten wir ihn nie fassen können. Ich vermute eher, dass das Talent seinen Träger die Absichten von Personen in seiner direkten Umgebung erkennen lässt.“
    „Oder aber es ermöglicht dem Träger, Ereignisse vorherzusehen, kurz bevor sie tatsächlich eintreten“, schlug ich vor.
    „Das ist physikalisch völlig unmöglich“, wandte Wymer ein.
    Ich wollte ihn gerade darauf hinweisen, dass nahezu jedes der bekannten Talente physikalisch Unmögliches zustande brachte, aber der Wicket-Keeper gab meinem Partner mit einem leichten Kopfnicken recht, und darum hielt ich den Mund.
    Wir erstatteten ausführlich Bericht, wie Wymer die Zielperson in Rio lokalisiert und über mehrere Wochen hinweg observiert hatte, bis sich für mich eine gute Gelegenheit ergeben hatte, den Mann in einer dunklen Seitengasse der Copacabana zu stellen. Wie üblich stellte der Wicket-Keeper keine Zwischenfragen, sondern ließ uns unsere Darstellung entwickeln.
    „In unserer Konfrontation schien die Zielperson wie gesagt alle meine Aktionen vorherzusehen, noch bevor ich sie ausgeführt hatte. Ich konnte den Mann nur durch einen Glückstreffer außer Gefecht setzen, als ich ihm einen Kinnhaken versetzen wollte und stattdessen seinen Kehlkopf traf“, beendete ich den Rapport.
    „Dies wiederum spricht dafür, dass das Talent Absichten erkennt und nicht die Zukunft vorhersagt, denn sonst hätte der Mann gewusst, wo du ihn treffen würdest“, merkte Wymer an, und ich musste zugeben, dass an seiner Beobachtung etwas dran war.
    „Das sind doch schon einige nützliche Informationen“, schloss der Wicket-Keeper unseren Bericht ab. „Jetzt müssen Sie mir nur noch erklären, warum Sie die Zielperson nicht nach der genauen Funktionsweise des Talents befragt haben, nachdem Sie sie überwältigt hatten.“
    Ich hatte gehofft, er würde diesen Punkt vielleicht übersehen, aber da hatte ich wohl Pech gehabt.
    „Ich fürchte, ich habe seinen Kehlkopf zertrümmert“, gab ich zu. „Die Zielperson ist noch vor Ort erstickt.“
    Der Wicket-Keeper registrierte dies mit einem

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