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Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka , Matthias Mösch , Alexander Flory
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Tier angefallen und verschleppt; wir nehmen an, ein Tiger hat ihn geholt; Wut und tiefe Trauer befallen uns bei dem Gedanken, dass ein so tüchtiger, aufrechter Mann wie er, ein Offizier der Krone, einem solch barbarischen Schicksal zum Opfer gefallen sein soll, und doch –
    So hat es sich abgespielt:
    Die Männer hatten, wie sie es immer tun, Hölzchen gezogen, um die Wache einzuteilen. Lt. Shiels ereilte das glückliche Los, diese Nacht in seinem Zelt bleiben zu dürfen; Lt. Hall, Sgt. O’Lannigan und Cpt. Adams übernahmen die Wachen, in dieser Reihenfolge (Cray ist vom Losentscheid befreit, obwohl er theoretisch genauso seinen Beitrag leisten könnte wie die anderen; die Wahrheit ist aber, dass man einem Zivilisten wie ihm nicht zutraut, seiner Pflicht nachzukommen, auch wenn ihm das niemand ins Gesicht sagen mag, und er ist sicherlich klug genug, das zu wissen, aber stolz genug, sich nicht anzubiedern).
    Die ersten beiden Wachen verliefen ereignislos. Schließlich weckte O’Lannigan den Captain (ich glaube mich vage daran zu erinnern, wie Cpt. Adams das Zelt verließ) und begab sich zur Ruhe. Das Unglück muss sich kurz vor Morgengrauen ereignet haben, denn der Sergeant schlief schon tief und fest und wurde wie wir alle von dem grauenhaften Schrei geweckt, der uns noch immer in den Gliedern sitzt. Nur Sekunden darauf zerriss der Knall von Halls Muskete die Luft und versetzte den ganzen Wald in Aufruhr; als wir anderen aber unsere Köpfe aus den Zelten streckten, war es bereits zu spät.
    Eine Schneise war in das Unterholz geschlagen, wo das Raubtier sein Opfer verschleppt hatte, ausgewiesen von einer grässlichen Blutspur. Lt. Hall, Lt. Shiels und ich nahmen sofort die Verfolgung auf, obwohl wir nicht einmal fertig angekleidet waren, doch unsere Hoffnung schwand schnell, während wir uns durch das dämmrige Dickicht kämpften, denn weder hörten wir einen weiteren Laut des Verwundeten, noch gelang es uns, die Bestie einzuholen. Wir erkannten, dass für einen Mann, der so viel Blut verloren hatte wie Cpt. Adams, jede Rettung zu spät kommen würde; dennoch wollten wir ihn nicht den Fängen des Ungeheuers überlassen. Dann gelangten wir an einen hohen Felsen, und keine Worte können den Schrecken beschreiben, der uns überkam, als wir dort in einer blutigen Lache ein abgenagtes Bein des Captains fanden, den Stiefel noch an seinem Fuß. Offenbar hatte sich das Monstrum hier an seiner Beute gütlich getan und sie dann weiter den Felsen hinauf geschleppt.
    Nach einer halben Stunde brach ich die Suche ab. Ich habe zu meiner Zeit den einen oder anderen Tiger gejagt und wusste, wir würden ihn nicht finden. Hall warf mir finstere Blicke zu – aber ein Soldat muss erkennen, wann er die feine Grenze überschreitet, diesseits derer er einem gefallenen Kameraden einen letzten Dienst erweist, und jenseits derer er sein und das Leben seiner Gefährten aufs Spiel setzte, indem er wie ein Narr in Unterwäsche bei Sonnenaufgang durch den Dschungel stolpert.
    Wir kehrten zum Lager zurück, wo Cray und der Sergeant aufgeregt auf uns warteten. Während Cray vor allem um seine eigene Sicherheit besorgt schien, quälten den Sergeant Schuldgefühle, weil er der letzte gewesen war, der den Captain lebend gesehen hatte, und nachdem ihn Lt. Hall bereits gestern kritisiert hatte, musste er sich heute wie ein rechter Versager vorkommen. Ich hätte ihm die Chance geben sollen, sich an unserer Suche zu beteiligen, aber er war einfach als letzter auf den Beinen gewesen.
    Es sei an dieser Stelle gesagt, dass wir eine christliche Andacht für Adams abhielten. Unsere Vorgesetzten und seine Familie sollen wissen, dass er seinen Dienst stets vorbildlich erfüllte und mich sein Verlust mehr als alle anderen schmerzt, weil ich ihn nicht nur als meinen Kameraden, sondern stets auch als Freund angesehen habe.
    Hall ist mein neuer zweiter Mann. Es war ein folgerichtiger Schritt, denn er ist der dienstälteste Offizier nach mir selbst, und ich sehe, dass es ihn nach all diesen schlechten Omen zu Taten drängt.
    Die Zelte sind nahezu abgebaut, und wir machen uns bereit.
    Nachtrag
    Ein böser Tag geht seinem Ende entgegen. Es hat nicht mehr geregnet, aber Wolken haben den ganzen Tag die Sonne verfinstert. Wir haben noch etwa acht Meilen durch ein kleines, enges Tal zurückgelegt, in dem zahllose Affen auf den Bäumen lebten und uns offenkundig als Eindringlinge betrachteten. Ihr Gekreisch wurde so enervierend, dass Lt. Hall schließlich in die Bäume

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