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Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka , Matthias Mösch , Alexander Flory
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schoss und einen von ihnen erlegte. Leider hat das die übrigen Teufel aber nicht entmutigt, und das Fleisch des kleinen Affen schmeckt zäh und macht keine Lust auf mehr.
    Es ist uns bewusst, dass wir Gefahr laufen, uns zu verirren, wenn wir nun zu unachtsam werden. Der Fluss, dem wir folgen, ist nur noch ein seichtes Bächlein, und wer kann sagen, ob es vor fünfzig Jahren schon genauso verlief wie heute, wo doch jeder Monsun dazu führen mag, dass Wasserläufe sich einen neuen Weg suchen? Ich versuchte daher, uns näher an die Berge zu bringen, denn ich hoffe, morgen oder übermorgen den Wasserfall zu finden, der diesen und wahrscheinlich noch eine Menge anderer Flüsse in den Wäldern speist – den Wasserfall, an dem Leutnant Druyts auf dem Rückweg sein Leben ließ.
    Es ist aber Osterhoudt, nicht Druyts, an den ich in diesen Minuten denke. Ich hatte heute Morgen in der Aufregung nicht daran gedacht, aber später kam es mir dann: Auch Vanderbilt verlor seinen besten Kameraden an einen Tiger. Was für ein entsetzlicher Zufall! Ich habe mir geschworen, keinen einzigen weiteren Mann zu verlieren und zu vollenden, was Vanderbilt misslang: Ich werde uns alle sicher wieder nach Hause bringen.
    Die Übersetzung macht gute Fortschritte.
    29. Oktober
    Haben die Ausläufer des Gebirgsmassivs erreicht und lagern auf einer kleinen Lichtung im Schutz hoher Felsen. Die Stimmung ist noch immer schlecht. Ich glaube, erst allmählich haben die Männer begriffen, was sich gestern ereignet hat: dass es unvermittelt einen aus ihrer Mitte auf grausamste Art hinweggerissen hat und dass dies jederzeit wieder geschehen kann, durch Raubtiere, durch Schlangen oder durch Krankheit – der Urwald ist voller Gefahren und voll fremder Geräusche, an die man sich niemals gewöhnt.
    Ich mache mir Gedanken wegen Hall. Er wirkt übellaunig, als quäle es ihn, dass er niemandem die Schuld für Cpt. Adams’ Tod geben kann. Der Sergeant macht sich nach wie vor Vorwürfe und sucht doch gleichzeitig Lt. Halls Nähe, als könne der Leutnant allein ihm die Absolution erteilen. Cray und Shiels verhalten sich still; Cray, weil er ahnt, dass er sonst nur ins Kreuzfeuer geraten würde, Shiels, weil ihm die Geschehnisse ähnlich unheimlich vorkommen wie mir.
    Damit sich die Männer entspannen konnten, übernahmen Cray und ich die erste Wache. Diese nahmen das allgemein gut auf, und keine halbe Stunde später schliefen die Männer tief und fest. Ich fühle, sie haben in diesen Stunden Führung bitter nötig, und nicht die Lt. Halls.
    Wenn man mehrere Stunden am Tag mit schwerem Gepäck durch den Urwald stapft, ist man auch zu dieser Jahreszeit noch nach kürzester Zeit völlig verschwitzt. Der Schweiß wiederum zieht Insekten an, und so steht man ständig im Zentrum der Aufmerksamkeit einer Vielzahl winziger Quälgeister und wünscht sich irgendwann nur noch fort, fort von sich selbst. Daher redet man nicht viel, auch wenn es manchmal gut täte. Vielleicht wird es besser, wenn wir größere Höhen erreichen, doch im Augenblick ist etwas Schlaf das Beste, was ich meinen Leuten anbieten kann, und es zieht mich ohnehin noch nicht in mein Zelt, das ich nun alleine bewohne.
    Was für eine Wandlung Vanderbilt durchgemacht hat in der kurzen Zeit zwischen Beginn und Ende seiner Reise! Wie anders lesen sich doch seine frühen Einträge im Vergleich zu den wilden Phantasien, denen er am Ende seiner Reise erlag! Der Autor der ersten Seiten des Buchs war ein gewissenhafter Mann, dessen Entscheidungsstärke und Einsicht in den Charakter seiner Männer mir großen Respekt abnötigen. Er beschreibt minutiös Wegstrecke, Rastplätze, Flussläufe und Felsformationen, und seine Angaben sind mir eine große Hilfe. Fast scheint es, als hätte er geahnt, dass eines Tages jemand den gleichen Weg gehen würde wie er, und ich fühle ihn mit uns wandern, während wir in seine Fußstapfen treten.
    Schuld an diesem Gefühl der Verbundenheit sind natürlich auch die absonderlichen Entsprechungen zwischen seiner und meiner Situation. Auch er brach auf der Spur einer alten Legende voll Enthusiasmus nach Arakan auf. Auch sein Trupp bestand aus vier Soldaten und einem jungen Gelehrten, dem vom ersten Tag an die Rolle des Außenseiters zufiel. Auch er hatte Frau und Kinder in der Heimat, an die er oft dachte.
    Dann nahm das Unglück seinen Lauf: Es gab einen Zwischenfall mit den Eingeborenen, der mich so stark an unser eigenes Zusammentreffen mit ihnen erinnert, dass ich mich frage, ob es

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