Der Kristallstern
des Netzes hindurch.
Die Person, die hier wohnt, muß sehr reich sein, dachte Lelila, wenn sie auf einer Welt, die weitgehend aus nacktem Vulkangestein besteht, so verschwenderisch mit Wasser umgehen kann. Und die Person muß sehr mutig sein, wenn sie es wagt, in einer Erdbebenzone so hohe Glasbauten zu errichten.
Die Sonne drang durch das Netzwerk und umgab Lelila mit ätherischen Schatten und spektralfarbenen Lichtflecken.
»Diese Leute sehen denen auf dem Basar überhaupt nicht ähnlich«, flüsterte Lelila Rillao zu. Abgesehen davon handelte es sich um eine Spezies, die ihr völlig unbekannt war.
»Natürlich nicht«, knurrte Rillao leicht ironisch. »Keiner stammt von dieser Welt. Auf dem Basar hatten wir die Bauern und Krämer. Hier haben wir die Bürokraten.«
Sie folgten einem sich windenden Pfad aus Pflastersteinen und gingen an glatten Stellen, die mit Wasser bespritzt waren, besonders vorsichtig. Niemand sprach sie an oder nahm mehr Notiz von ihnen als von den Bodenerschütterungen. Mehrere der Wesen verschoben den Achatkies zu neuen Mustern und gaben ihm neue Konturen.
R2-D2 rumpelte hinter ihnen her und stieß jedesmal einen angewiderten Pfiff über die Anordnung der Steine aus, wenn der Pfad spitzwinklig wurde.
Lelila und Rillao erreichten das Zentrum des Achatteichs, unmittelbar unter dem höchsten Punkt der Glasstruktur.
In einem kleinen, tieferen Achatnest schaukelte eins der knochenlosen Wesen hin und her. Wasser schwappte friedlich im gleichen Rhythmus. Nur zwei der greiffähigen Rüssel ragten aus dem Wasser, von denen der eine, hoch aufgerichtet, Luft einatmete, während sie der andere, weiter unten, ausatmete. Beide tauchten gelegentlich unter die Wasseroberfläche und ließen Blasen aufsteigen.
Rillao setzte sich neben dem Achatnest auf die Hacken und wartete.
Ganz entschieden dagegen, sich zu setzen und zu warten, blieb Lelila stehen und blickte sich neugierig auf dem fremdartigen Gelände um. Sie bückte sich und griff nach einem der polierten Achatsteine.
Rillao packte ihre Hand. Die zernarbten Finger der Firrerreo umklammerten sie mit überraschender Kraft.
»Haben Sie keine Manieren?« flüsterte sie. »Setzen Sie sich und verhalten Sie sich ruhig. Und halten Sie Ihre Augen unter Kontrolle – ebenso wie Ihre Hände!«
»Lassen Sie los!« Lelila riß ihre Hand weg.
Rillaos Fingernägel zerkratzten ihre Haut.
»Autsch!« Einer der Kratzer war tief genug, um zu bluten. Lelila hielt die Hand an den Mund. Sie fragte sich, ob Rillaos Fingernägel Gift enthielten oder allergisch wirkten. Ich bin eine Kopfgeldjägerin, dachte sie. Wo sollte ich Manieren gelernt haben? Und warum sollte ich dafür bestraft werden, daß ich keine habe?
»Ihre Augen, Ihre Hände… und Ihre Stimme!« sagte Rillao.
In Ordnung, dachte Lelila. Ich bin eine Kopfgeldjägerin und kann mich ruhig verhalten und warten, wenn es sein muß.
Sie funkelte Rillao an, die nicht erkennen ließ, daß sie Lelila eine Erklärung oder eine Entschuldigung schuldete. Lelila nahm im Schneidersitz Platz und ließ sich von ihren Haaren einrahmen. Die Enden breiteten sich auf den Pflastersteinen aus.
Ich kann immer noch etwas sehen, dachte sie, aber niemand kann erkennen, worauf meine Augen gerichtet sind. Niemand kann erkennen, wo meine Augen sind.
So saß sie neben Rillao und beobachtete, wie die knochenlosen Wesen faulenzten und mit Wasser spritzten und Achate zu neuen Designs zusammenschoben. Immer wieder blickte sie auf das Wesen in der Mitte des Teichs. Es atmete, produzierte Blasen und streichelte gelegentlich mit seinen Greifgliedern den einen oder anderen Achat.
Rillao balancierte auf den Zehenspitzen. Ihre Unterarme ruhten entspannt auf ihren Knien. Ihre Augen waren geschlossen. Lelila dachte: Das ist bestimmt nicht die richtige Zeit für ein Nickerchen.
Sie fühlte sich aufgewühlt. Wut und Ungeduld überspülten sie wie das Wasser in dem Achatteich. Unter der Oberfläche lauerte die Verzweiflung.
Engagiere dich nicht so sehr für dein Opfer, sagte sie zu sich selbst. Du bist eine Kopfgeldjägerin – wenn dir dieser eine entkommt, gibt es immer wieder einen anderen Fall, dem du nachgehen kannst. Vor allem aber mußt du Ruhe bewahren.
Ein Lichtfunken zündete im Hintergrund ihres Bewußtseins. Sie wurde ganz wach, ganz aufmerksam. Ich bin hier, dachte sie, wer ruft mich…?
Das Wesen schoß nach oben, alle Tentakel ausgestreckt und sich drehend und windend, und landete mit einem mächtigen Wasserschwall.
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