Der Kronrat (German Edition)
den Platz an ihrer Seite und sogar die Königswürde angeboten. Das war es, was sie mir geboten hatte: eine Zukunft mit einer Frau an meiner Seite, die nicht am Alter sterben konnte.
Darauf hatte ich so lange gewartet: eine Liebe, die sich über die Jahrhunderte hinweg erhielt und der selbst der Tod keine Grenze setzte.
Leandras violette Augen, die so oft ihre Gefühle offen zeigten, die Liebe, den Verdruss, den Ärger, die Verletzlichkeit. Ja, ich liebte meine Königin, und kein Mann hätte stolzer sein können als ich, sie an seiner Seite zu wissen.
Auf dieser Bank im Garten saß ein alter Tor. Woher sollte ich denn wissen, dass ich mich nach einer Liebe verzehrte, die ich schon besaß? Woher hätte ich wissen sollen, dass unter diesem kalten Gasthof, in den Tiefen ihres eisigen Grabs, die Gebeine der Frau lagen, der ich genau das bereits versprochen hatte? Eine Liebe, die den Tod übersteht?
Man sagt, dass ein Mensch keinen mächtigeren Schwur schwören kann als den, den er im Angesicht des Todes spricht. Und Jerbil … Götter, wie konnte er Serafine versprechen, dass er alles richten würde! Er trug Eiswehr, ein Bannschwert, über dessen Fähigkeiten Sieglinde nicht viel erzählte. Es hatte sich verändert in diesen Jahrhunderten, in denen es die Seelen des Ersten Horns für die Ewigkeit bewahrt hatte. Doch in einem waren alle Bannschwerter gleich: Göttern geweiht und von der mächtigsten Magie erfüllt, die Askannon hatte weben können. Auf sie sollte man nicht leichtfertig schwören!
Jerbil wusste, was er tat, das wurde mir jetzt langsam klar. Er war es, der seine Seele an Soltar verpfändete und geschworen hatte, alles zu tun, alles auszuhalten, alles zu bestehen, das Werkzeug unseres Gottes zu sein, alles, um dieses eine Versprechen zu halten: Serafine im Angesicht ihres Todes in die Augen sehen und ihr sagen, dass er es richten würde, dass er die Gesetze der Götter und der Weltenscheibe sprengen, sich gegen die Götter selbst auflehnen und dann ihr Banner in den Krieg tragen würde. Wenn sie nur weiterleben würde und alles ein gutes Ende fand!
Wie hatte Bruder Jon gesagt? Niemand konnte ein solches Versprechen geben? Doch Jerbil wurde die Säule der Ehre genannt, weil er niemals ein Versprechen brach.
In den Büchern der Götter stand, dass sie den Menschen nach ihrem Ebenbild erschaffen hatten, dass sie ihnen den göttlichen Willen gegeben hatten, dass es nur eine Grenze für die Menschen gab, die ihres eigenen Willens.
Der Wille war es, der zählte, in der Magie, wie Desina und Leandra gleichermaßen berichteten, wie in allem anderen. Es war der Wille, der alles bestimmte und die Geschicke lenkte. Ich wusste, dass es so gewesen war. Ich erinnerte mich beinahe an seinen Schwur, wie er seine Seele Soltar versprach, doch nicht nur ihm. Soltar, weil er über den Tod bestimmte, Boron, weil das, was dort unten im eisigen Keller geschehen war, gegen jede Gerechtigkeit verstieß, und sogar Astarte, weil sie es war, die über die Liebe gebot. Jedem dieser Götter schwor er das Gleiche: dass er seine Seele ihnen verpfändete, für jetzt und alle Ewigkeit, dass er ihre Hand, ihr Werkzeug sein und alles tun würde, was sie im auferlegten – wenn sie ihm erlaubten, sein Versprechen auch nach dem Tod zu halten.
Ich wusste, dass er für sich selbst nichts verlangte. In solchen Dingen bittet man nicht für sich selbst, außerdem hätte es der Hingabe widersprochen, die solche Eide erfordern. Ich konnte die Worte beinahe hören und fühlen. Wenn ich sie nur kennen würde, würde sich alles erklären, würde ich verstehen. Aber ich hörte sie nicht und wusste nur, dass sie ausgesprochen worden waren.
Wie Leandra auch, hatten die Götter ihr Wort gehalten. Auf welchen verschlungenen Wegen Serafine von den Toten zurückgekehrt war, blieb Soltars Geheimnis.
Als Helis Eiswehr berührte und Serafine den Weg zurück zu sich selbst fand, ich zum ersten Mal die Seele in Helis’ Augen sah, erkannte ich sie wieder, sosehr ich mich dagegen auch wehrte.
Ich war ganz gewiss nicht der Einzige, der sich nach ewiger Liebe verzehrt hatte, aber nun erfuhr ich sie. Ich wollte Jerbil verfluchen, es war meine Seele, die er den Göttern als Unterpfand geboten hatte, doch damals war es die seine gewesen, und er hatte jedes Recht dazu. Wenn es nicht der Körper ist, sondern die Seele, die das Wesen eines Menschen ausmacht, dann war es meine Entscheidung gewesen, mein Versprechen, das mich auch jetzt noch band.
In Wahrheit
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