Der Kronrat (German Edition)
wurde und ich nicht, wie sie mich weinend bat, sie nicht anzusehen, zu gehen, sie ihrem Schicksal zu überlassen. Sie, die Frau mit dem goldenen Haar, war die Erste, die ich liebte, und ich hatte ihren Namen vergessen.
Aber was ich nicht vergessen würde, war das Grab, das ich ihr zwischen den Apfelbäumen aushob, den Schmerz, der mich fast zerbrach, als ich sie in sauberes Leinen gehüllt unter den ersten Baum legte, den ich für sie gepflanzt hatte. Damals hatte ich das erste Mal mit Soltar gehadert. Ich hatte meine Pflicht getan, Kelar gerettet, warum ließ er mich nicht gehen? Warum wurde ich nicht alt und konnte mit ihr sterben?
Sie war schön gewesen, jung und fröhlich. Schlimm war nicht nur, dass ich sie überlebte, sondern auch, dass das Alter sich bei mir nicht zeigte, dass ich jung blieb, während sie zerfiel. Es trennte uns schon lange vor ihrem Tod.
Ich hatte ihren Verlust betrauert, lange bevor sie starb, auch den Verlust der Liebe, denn ich wusste, dass sie einen Teil von mir hasste, weil ich blieb und sie an das erinnerte, was sie verloren hatte: Jugend und Schönheit.
Ich stieß ein hartes Lachen aus. Sie war die Erste und die Letzte, die mich schön genannt hatte, aber damals hatte mir Seelenreißer noch die Jünglingsjahre wiedergegeben. Als ich hundert Jahre wurde, sah ich immer noch so aus wie der Junge, der durch Soltars Tor geschritten war.
Nach ihrem Tod hielt mich nichts mehr in meiner alten Heimat. Ich zog ins Land hinaus, wohin mich der Wind und Soltars Wille trieben. Wenn mir die Liebe begegnete und ich fühlte, wie eine Frau meine Sinne und mein Herz zu fesseln drohte, floh ich.
Ich mochte ihr Gesicht und ihren Namen vergessen haben, doch der Schmerz, den ich spürte, als ich die Sera mit dem goldenen Haar begrub, an den brauchte ich mich nicht zu erinnern. Ich fühlte ihn noch heute, allgegenwärtig.
Ich schwor, nicht mehr zu lieben. Wenn ich danach weibliche Gesellschaft suchte, dann nur dort, wo sie ungefährlich war, wo ich wusste, dass sie mich nicht halten konnte. Ich lernte, dass es tausend Arten gab, wie man lieben und verlieren konnte. Ich trat den Rittern des Bundes bei, solchen, die allem entsagten, außer der Ehre und der Pflicht. Für mich war es eine Flucht, die Regeln unseres Ordens zu befolgen, für sie war es Berufung. Keiner von ihnen zögerte, sein Leben für das Reich zu geben, und als sie starben, waren sie stolz darauf, so gelebt zu haben und so gestorben zu sein. Sie ließen mich in den Reihen ihrer Toten in jenem Pass zurück, aus denen ich mich wieder und wieder erhob, bis die Barbaren flohen.
Ich hatte es nicht zugeben wollen, doch auch Eleonora hatte ich geliebt; zwischen Freundschaft und Liebe verläuft nur ein schmaler Grat, und ihr Verlust kam zu diesem Schmerz hinzu. Er fügte sich ein in die lange Reihe derer, die ich sah, wenn ich des Nachts träumte, zu jenen, die ich liebte und um die ich nicht zu trauern wagte, wenn ich wach war. Nur in meinen Träumen sah ich sie. Ich vergaß kein Gesicht, wusste von allen, wer sie waren … und dass sie auf mich warteten. Ganz am Anfang dieser Reihe stand die Sera mit dem goldenen Haar, nur in meinen Träumen konnte ich sie erkennen, denn nur dort hatte ich ihr Lächeln jemals wiedergesehen.
Dann, Jahre später, als ich sterben wollte, weil ich nichts mehr im Leben fand, das für mich einen Sinn ergab, war Leandra durch die Tür getreten. Sie ließ sich nicht blenden, nicht abwehren, nicht von mir weisen. Sie verführte einen alten Mann und gewann mein Herz damit. Sie war kein Mensch, sie würde lange leben, das Alter würde sie nicht berühren, sie war eine, die ich lieben konnte und durfte. Endlich schien ich erlöst.
Aber bevor sie mich kennengelernt hatte, war sie schon vergeben an Steinherz und ihren Schwur, an einen Krieg, der mich nicht berührte, weil ich dachte, ich wäre längst bei Soltar, wenn er Coldenstatt erreichte.
Sie hatte mich verführt, nicht, weil sie mich liebte, sondern weil sie mich brauchte. Sie wusste, dass sie mich nur so gewinnen konnte. Es war die einzige Münze, die sie hatte, der einzige Handel, der mich bewegen konnte, ins Leben zurückzukehren. Sie wusste es, und ich wusste es auch.
War es also eine falsche Liebe, die ich zu Leandra verspürte?
Nein, der Beweis dafür lag darin, wie sehr es schmerzte, als sie mir gesagt hatte, dass sie mich für ihre Mission opfern würde. Manchmal zeigte sich der Grad der Liebe erst am Schmerz.
Leandra hatte ihr Versprechen gehalten, mir
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