Der Kronrat (German Edition)
als Mensch geboren wurde, in einer Hütte nicht weit von hier. Dort steht heute noch ein Stein mit seinem Namen darauf. Dazu kommt, dass er sich eine Frau nahm und mit ihr ein Kind zeugte …«
»Eine Tochter?«, fragte ich gespannt.
»Ja«, meinte er und sah mich überrascht an. »Woher wisst Ihr das?« Dann stutzte er und schüttelte den Kopf. »Ich kann mir denken, was Ihr hofft. Doch leider irrt Ihr hier. Sie ist es nicht. Aber es ist kein Wunder, dass Ihr davon nichts wisst, denn nach der Tragödie bat der Kaiser darum, dass nichts davon Erwähnung findet, und man hielt sich auch daran. Heutzutage wissen nur wenige, dass er einst eine Frau hatte, die mit ihm den Thron teilte.«
»Welche Tragödie?«, fragte ich.
Orikes’ Augen verdunkelten sich. »Askannon war oder ist vielleicht der mächtigste Mensch, der je gelebt hat. Seine Frau kam ihm nahe, aber nicht an ihn heran. Ich weiß, dass sie klug war und sein Herz gewann, dass er sie auf einem Feldzug in ein fernes Land kennenlernte und auch sie eine mächtige Kriegerin war. So mächtig, dass sie dort verehrt wurde wie eine Königin oder gar eine Göttin. Aber es ist schwer, einen Kampf zu führen, wenn man hochschwanger ist und kurz vor der Niederkunft steht. Es war ein Anschlag auf den Kaiser, der Racheakt eines Nekromanten. An Askannon wagte er sich nicht heran, sehr wohl aber an die hochschwangere Kaiserin.« Orikes seufzte. »Die Unterlagen sind nur spärlich, meine Vorgänger respektierten wohl des Kaisers Wunsch, darüber wenig zu schreiben. Überliefert ist nur eines: Askannon kam zu spät an den Ort des Kampfes, er fand seine Frau dort vor, sie hatte den Seelenreiter und sein Heer noch erschlagen können, war aber tödlich getroffen worden und starb in seinen Armen.«
»Und die Tochter?«, fragte ich gebannt.
»Er wusste, dass es eine Tochter sein würde, aber sie wurde nie geboren.« Der Stabsobrist legte seine Hände übereinander und sah auf sie hinab. »Danach heißt es, wäre Askannon ein anderer gewesen. Ich las davon, er sei betrübt gewesen und hätte davon gesprochen, dass dies der Preis sei, den er hatte zahlen müssen, ein teurer Preis, selbst für alles das, was er schon erreicht hatte. Etwa vierzig Jahre später dankte er dann ab. Viele, die diese Geschichte kennen, sind der Meinung, dass sie der Grund ist, warum er ging, dass sein Herz gebrochen war und dass das, was er für die Menschen hier erreicht hatte, ihm keine Freude mehr brachte.« Er holte tief Luft. »Wisst Ihr, Lanzengeneral, was Askannon auszeichnete, war nicht seine ungeheure Macht, sein Wissen oder seine Krone. Jede Feder, die den Eid leistet, liest über ihn, gräbt in den alten Archiven, will wissen, wessen Vermächtnis man dient, wenn man den Eid der Federn leistet. Er war es, der uns ins Leben rief, die erste Feder, wenn man so will. Gerüstet, aber als Waffe nur Wissen und Gerechtigkeit. Nach allem, was ich von ihm weiß, ist es das, was ihn prägte: der Wunsch, Dinge zu verstehen und Gerechtigkeit in die Welt zu bringen. Denn beides gab es nicht, als er geboren wurde. Das Land wurde von einem Nekromanten beherrscht, der den dunkelsten Aberglauben stützte, und Gerechtigkeit war ein Wort, das niemand kannte. In manchen Dingen blieb der Kaiser stets ein einfacher Mensch. Er war immer ein Gelehrter und nie ein Krieger, er erfreute sich daran, dass das Land, die Künste und die Wissenschaften aufblühten und dass Frieden herrschte. Diese Freude wurde ihm mit diesem feigen Mord genommen, denn nach allem, was ich weiß, fand er niemals wieder seinen Frieden.« Er sah mir direkt in die Augen. »Ich bin ein Adept Borons, so wie es Euer Freund Varosch ist. Wenn ich in sieben Jahren meinen Dienst beende, werde ich als Priester in seinen Tempel gehen. Also kenne ich auch die Prophezeiungen. Es gibt auch eine in Borons Schriften. Wenn Ihr also die Tochter des Drachen sucht, dann kann ich Euch zu ihrem Grab führen, wo sie noch heute in ihrer Mutter ruht. Wenn sie gelebt hätte, wäre es verständlich, warum sie Kolarons Ende bedeuten sollte, aber sie starb noch im Leib der Mutter.«
»Das ist eine traurige Geschichte«, bekannte ich. Es erklärte aber auch, warum Askannon so viel Zeit mit der Tochter eines Freundes verbracht hatte. Kein Wunder, dass Serafine ihn so sehr mochte.
Wenn er der war, für den ich ihn nun hielt, dann war auch das glaubhaft, was Orikes sagte: dass der mächtige Kaiser dieser Stadt im Grunde seines Herzens nie ein Krieger gewesen war.
»Gibt es
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