Der Kronrat (German Edition)
dort würde nichts geschehen, was das Reich jemals berühren konnte.« Sie schüttelte den Kopf. »Es kam selten vor, dass er sich irrte, aber hier irrte er gewaltig.«
»Was ist mit dieser Insel?«
»Gleich. Zuerst zu einem Problem, das die Eulen hatten. Ihre Aufgabe war es, wie ihr ja wisst, Nekromanten zu jagen. Das Problem lag darin, dass wir manchmal welche fanden, die diese dunkle Gabe noch nicht verwendet hatten. Auch Kinder waren dabei. Wir wussten, dass die Träger der Gabe von ihr verführt werden würden, doch diese Kinder waren noch ohne Schuld. Also versuchten wir, die Gabe von ihren Seelen zu trennen, bevor sie schuldig wurden – und machten uns selbst schuldig dabei. Denn in neunzehn von zwanzig Fällen starb das Kind.« Sie verzog das Gesicht. »Wie erklärt man Eltern, dass man vor ihren Augen ihre Kinder tötet, für Taten, die sie noch nicht begangen haben?«
»Oh«, meinte Serafine.
»Ja«, sagte Asela. »Oh. Das war keine Option. Es musste eine andere gefunden werden. Askannon war kein Mensch, der oft bei den Göttern um Rat ersuchte, aber in dieser Frage ging er zu den Tempeln und beriet sich mit den Priestern. Sie befanden, dass es nicht rechtens war, diese Kinder zu töten, aber man konnte sie auch nicht gewähren lassen. Wie gesagt: Die dunkle Gabe verführte in den meisten Fällen dazu, sie zu nutzen, wenn auch manchmal ohne Absicht.«
»Und diese ferne Insel war die Lösung?«, fragte ich.
»Ja. In Thalak sah er einen Ort, der sicher genug war, um Seelenreiter, die wir gestellt und gefangen hatten, hinzubringen und an ihnen zu erforschen, wie man die Gabe von ihnen löste. Es wurde dort eine Kolonie errichtet, eine Akademie. Speziell ausgebildete Soldaten, die Nachtfalken, wurden dorthin entsandt, und Gebäude wurden errichtet, die mit mächtiger Magie gesichert waren.«
»Eine Gefängniskolonie für die Verfluchten?«, fragte ich heiser.
»So ist es. Wir brachten alle dorthin, die wir fanden, ob schuldig oder nicht. Den Kindern versuchten wir zu zeigen, dass sie ihre Gabe nicht nutzen sollten, den Schuldigen …« Sie schaute zur Seite. »An ihnen erforschten wir, wie man die Gabe von der Seele trennen konnte. Sie mochten schuldig gewesen sein, doch diesmal waren sie es, die litten, und wir waren es, die quälten. Zu einem guten Zweck.« Die letzten Worte spie sie bitter aus und nahm einen großen Schluck des Weins, als ob sie die Worte wegspülen wollte.
Ich konnte das Problem verstehen, aber auch, was die Lösung abverlangte. Gleiches mit Gleichem zu vergelten, war nicht immer gerecht. »Es ist etwas vorgefallen, nicht wahr?«
»Ja. Balthasar fand heraus, wie man es tun konnte, wie es möglich war, die dunkle Gabe von der Seele zu trennen. Es war ein Zufall, eine Unterhaltung mit einem der Nachtfalken, die auf Thalak Dienst taten, wie viele von ihnen eine dunkle Elfe, die sich Wissen über die Magie ihrer Vorfahren bewahrt hatte. Die Antwort lag in der Blutmagie der dunklen Elfen, nicht in der Wissenschaft, sondern in Instinkt und Wollen. In dieser Blutmagie gab es ein Ritual, das der Reinigung diente. Das Ritual, leicht abgeändert, brachte dann die Lösung.« Sie nahm einen weiteren Schluck. »Aber es war zu spät. Sagt, was wisst ihr von Balthasar?«, fragte sie.
»Es geht hier nicht um ihn«, meinte Serafine ruhig.
»Wenn du meinst«, sagte Asela. »Ich wollte darauf hinaus, dass er nach Askannon selbst der Mächtigste im Reich war, über Jahre war er der Primus des Turms, und niemand kam an ihn heran. Desina hat das Talent dazu, aber noch ist sie nicht so weit.« Sie nahm einen weiteren tiefen Schluck. Erst jetzt fiel mir auf, wie oft sie das tat, ohne dass sich der Becher leerte. »Nun, alle Verfluchten auf der Insel zusammen hätten nicht die Macht besitzen sollen, ihn zu übermannen. Doch als er auf die Insel kam, um das Ritual an einem Verfluchten zu versuchen, fand er den Ort übernommen vor. Einer der Seelenreiter hatte es trotz aller Vorsicht und Bemühungen, trotz der mächtigen Magie, die diese Insel sicher machen sollte, geschafft, jeden freien Geist dort zu unterjochen. Auch Balthasar … Er wurde überrascht und überwältigt. Es dauerte nur einen Lidschlag, dann war Balthasar mit seinen ganzen Eiden und seinem Stolz die Kreatur eines Verfluchten, den wir als einen der Ersten auf diese verfluchte Insel gebracht hatten. Ein brutales Biest mit dem Aussehen eines zauberhaften Jünglings, verschlagen, bösartig und ungebildet, eine Bestie namens Kolaron, der
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