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Der Kronrat (German Edition)

Der Kronrat (German Edition)

Titel: Der Kronrat (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Schwartz
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seit Jahrhunderten regierte. Es fehlten ihm die tiefen Nasenfalten, die Wangen waren noch glatt, nur an den Augen hatte der Künstler sorgsam kleine Lachfalten in den Stein getrieben. In den Händen hielt der Kaiser einen Plan, und in einer Hand, die Kette um die Finger gewunden, hielt er dazu noch ein Lot. Aber es war der Ausdruck in seinem Gesicht, der mich anzog. Selten hatte ich eine Herrscherstatue gesehen, die solche Sehnsucht und Verletzlichkeit zeigte. Ich blickte zu der anderen Statue zurück, durch den Ask und siebzig Schritt Entfernung von ihm getrennt … Sie war zu weit weg für ihn und auf immer unerreichbar.
    Die Nase war unverkennbar, die Lippen ebenfalls, dennoch hatte ich Schwierigkeiten, die beiden Männer miteinander in Einklang zu bringen. In meinen Gedanken oder vor meinen Augen schienen sie zu verschwimmen, bis es mir zu viel wurde und ich leise fluchte. Dann aber, als ob ein Schleier zerreißen würde, sah ich den Kaiser vor mir stehen … und in meiner Erinnerung einen Gelehrten namens Kennard, der zum Hammerkopf gekommen war, ohne Spuren der Witterung zu tragen. Kurz nachdem Balthasar den Weltenstrom erneut nach Askir geleitet hatte.
    Ich nahm an, dass es ihm aufgefallen war. Kein Wunder, dass er gekommen war, um nach dem Rechten zu sehen.
    »Was ist, Havald?«, fragte Serafine. »Du siehst ihn so konzentriert an.«
    »Wenn ich einfach nur hinsehe, zerfasert das Bild«, versuchte ich ihr zu erklären. »Ich sehe noch immer dasselbe, aber es ist, als ob ich es zugleich vergessen würde. Aber wenn ich mich bemühe … Finna, es ist derselbe Mann. Es ist der Gelehrte Kennard, der uns beim Hammerkopf begegnet ist. Du warst noch in Eiswehr gefangen, aber er ist der Mann, der uns die Namen der Soldaten des Ersten Horns nannte und die Schlüssel zum ersten Tor überreichte.«
    Kaum hatte ich das gesagt, war es, als ob dieser seltsame Schleier endgültig zerreißen würde. Jetzt erkannte ich auf diesem Bild und auf den Münzen ohne Anstrengung denselben Mann.
    Ich griff Serafine bei der Hand und zog sie zu mir heran. »Er war es, der mir den verfluchten Ring ansteckte … und er gab mir die Warnung mit dem Pferd … Wochen, bevor es geschah! Dein Freund, der Kaiser, hat mit meinem Geist gespielt und mich all das vergessen lassen, verdammt soll er dafür sein!« Ich schüttelte sie fast. »Niemand spielt mit meinem Geist herum!«
    »Du tust mir weh«, sagte sie steif und bedachte mich mit einem zornigen Blick, ich ließ sie los, als hätte ich mir die Finger verbrannt. »Für das, was er tat, kann ich nichts, Havald«, sagte sie dann ruhiger und entspannte sich ein wenig. »Er wollte offensichtlich nicht, dass du ihn erkennen würdest, gut, ich kann verstehen, dass du wütend bist, aber hat es dir geschadet? Du hast dich doch zur rechten Zeit an das Pferd erinnert!«
    »Das ist wahr«, sagte ich etwas ruhiger. »Es rettete dir das Leben!« Ich sah hoch zu ihm und schüttelte den Kopf. »Dennoch … er hätte mir vertrauen können!«
    »Er tat es wohl … bedenke, was er dir gab«, sagte sie ruhig. »Er kannte dich ja nicht.«
    Ich sah zu ihm hoch und grübelte, es war nicht ein Gesicht, das man an jeder Straßenecke trifft, und doch kam es mir vor, als hätte ich es schon des Öfteren gesehen. Aber das geschah mir immer wieder, manchmal erkannte ich Menschen wieder, die schon lange bei Soltar weilten.
    Auch sein Standbild war sorgsam bemalt, doch dem Mann, den ich als Kennard kannte, hatte sein Leben die Farben ausgebleicht; was hier blondes Haar war, das der Kaiser offen trug, war bei Kennard grau gewesen, und die Falten, die ich an ihm sah, waren von tiefem Schmerz gegraben. Hatte er mir geschadet, fragte ich mich selbst. Wohl kaum.
    Ich erinnerte mich an ihn, den Gelehrten, wie er ruhig dasaß, seine Pfeife rauchte, immer wieder schmunzelte, verhalten mit den Seras schäkerte … die geschickte Art, wie er uns beeinflusste und auf Dinge hinwies … und wie er seinen Abschied nahm. Ohne das, was er über meinen Geist gelegt hatte, erschienen so viele Dinge auf einmal klar.
    »Serafine«, sagte ich leise, stockte dann. »Helis«, begann ich erneut, doch sie lächelte ein wenig und legte ihre Hand auf meinen Arm. »Nenne mich ruhig so«, sagte sie. »Du nennst mich sowieso die ganze Zeit schon Finna.«
    »Wirklich?«, fragte ich überrascht. »Ich habe es nicht bemerkt!«
    »Wie Zokora schon meinte, es ist faszinierend, was du nicht sehen willst«, lächelte sie. »Gut, was wolltest du mir sagen,

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