Der Kronrat (German Edition)
wissen. Ihr beide seid also im Auftrag des Handelsrats unterwegs, um uns zu beschatten?«
»Ja«, meinte er stolz. »Auch durch diesen üblen Angriff werden wir uns nicht davon abhalten lassen, unsere Bürgerpflicht zu tun! Ihr werdet noch lernen, dass man den Handelsrat und seine Vertreter nicht einschüchtern kann!«
Ich hielt ihm die Hand hin, er zuckte zurück und schlug sich den Schädel so hart an der Mauer an, dass ihm das Wasser in die Augen schoss und er kurzzeitig schielte.
»Ich wollte Euch nur aufhelfen«, erklärte ich freundlich. »Aber wenn Ihr darauf besteht …«
Ich legte ihm die Münze und das Schriftstück auf die Brust, sah zu dem anderen, der noch immer friedlich schlief, und zuckte mit den Schultern. »Ihr braucht euch nun nicht mehr zu verstecken«, meinte ich freundlich. »Das erspart uns Missverständnisse. Sonst verwechseln wir Euch doch noch mit Mordgesellen und gehen nicht so sanft mit Euch um.«
»Sanft?«, rief er und schielte zu mir hoch. »Ihr habt mir meine Nase gebrochen, das nennt Ihr sanft?«
»Euer Kopf ist noch dran«, entgegnete ich. »Der Götter Segen mit Euch beiden. Ich hoffe, dass Ihr Euch alsbald erholt.«
Drei Schritte weiter konnte ich nicht mehr an mich halten und musste lachen, auch Serafine musste schmunzeln.
»Götter!«, meinte sie und schüttelte den Kopf. »Es ist nicht lustig, Havald, ganz und gar nicht. Aber diese beiden …«
»Ich weiß«, schmunzelte ich. »Es gibt eine Tabelle … Götter!« Ich schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, er sagt auch noch die Wahrheit, dass es solche Tabellen wirklich gibt, die das Leben eines Menschen in Kupfer und Silber aufwiegen! Wer denkt nur so?«
»Du kennst die Antwort«, meinte sie. »Händler.«
Wir sahen zurück, dort neben dem Tor zum Garten stand der eine Agent und hielt sich ein Tuch an die Nase und sah uns böse hinterher.
Sie seufzte. »Sie sind besser als Seelenreiter … es fragt sich nur, um wie viel!«
25. Die Kaiserbrücke
Wir gingen weiter, erreichten bald den Hafen und wandten uns dann nach links. Es dauerte nicht lange, bis wir bei der Kaiserbrücke ankamen. Sie spannte sich in flachem Bogen und ohne eine einzige Stütze fast siebzig Schritt weit über die Mündung des Ask und verband die beiden Hälften des kaiserlichen Hafens. Entsprechend war auch der Verkehr auf ihr.
Auf dieser Seite zierte die lebensgroße Statue einer jungen Frau die Brücke. Ich musterte sie neugierig. Wie die meisten Statuen war sie sorgsam angemalt; es schien fast, als würde sie leben, so gut hatte der Künstler sie eingefangen. Sie trug eine leichte Rüstung aus hellem Leder, mit einem leicht gekrümmten Schwert an ihrer Seite. Ihre langen schwarzen Haare waren offen und wehten in einem unsichtbaren Wind. Sie war nicht uns zugewandt, sondern der anderen Seite der Brücke, ein Lächeln auf den vollen Lippen, als ob sie ein Geheimnis kannte, das sie nicht verraten wollte. Wenn der Künstler sich an die Vorgaben gehalten hatte, war ihre Haut vom selben goldenen Ton wie die von Serafine und erinnerte mich auch ein wenig an Faihlyd, die Emira von Gasalabad. Ihr Alter fand ich schwer zu schätzen; es gab feine Falten an den Augen, die Haut besaß noch jugendliche Straffheit, doch wer immer der begnadete Künstler war, der diese Statue geschaffen hatte, er hatte etwas von ihr eingefangen, ein Mysterium und eine Weisheit, die man niemals in jungen Jahren erlangte.
Vielleicht hatte ich erwartet, eine Elfe vorzufinden oder irgendetwas anderes, doch sie war einfach nur eine junge Frau mit einem freundlichen Lächeln. Man konnte nicht einmal behaupten, dass sie eine besondere Schönheit gewesen war.
Orikes hatte sie klug genannt. Kluge Frauen besaßen oft einen ganz besonderen Reiz, den reine Schönheit nicht zu bieten hatte. Ich suchte nach einem Schild an dieser Statue, einem Namen, aber es war nichts zu finden.
Auch Serafine sah zu ihr hoch. »Ich wüsste gern, wer sie war«, meinte sie leise. »Es ist seltsam, dass hier ihre Statue steht und niemand ihren Namen kennt.«
»Orikes bot mir an, mir ihr Grab zu zeigen. Ich denke, dass wir dort einen Namen finden werden. Der Kaiser befahl, alles andere, das auf sie hinwies, zu entfernen. Ich frage mich, warum.«
Wir gingen weiter, ich sah noch einmal zurück und folgte ihrem Blick zu der anderen Statue, dem Mann in der weiten Robe eines Gelehrten, der lächelnd zu ihr hinübersah. Der Kaiser wirkte sehr jung auf mich, kaum dreißig Jahre alt, obwohl er damals schon
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