Der Kronrat (German Edition)
ein Ende finden wird.« Er holte tief Luft, stand auf und sah mich mit diesen treuen Augen an. »Verzeihst du mir, dass ich dich hintergangen habe?«, fragte er leise.
»Da gibt es nichts zu verzeihen«, antwortete ich. »Uns gegenüber hast du jeden Eid gehalten, mein Freund.«
»Bin ich das?«, fragte er zögernd. »Dein Freund?«
»Ja, das bist du«, sagte ich und meinte es auch so. Schon lange hatte ich gewusst, dass er etwas zu verbergen hatte, zu kindlich und zu aufgesetzt war seine Rolle gewesen, auch Serafine hatte es schon längst bemerkt. Jetzt, da ich wusste, was sein »Verbrechen« war, verstand ich ihn nur zu gut. Ich wusste, wie bitter die Verzweiflung schmeckte, weiterzuleben, während andere, die hätten leben sollen, vor einem den Weg zu Soltars Hallen gegangen waren.
Er schluckte, trat an mich heran, schluckte erneut und umarmte mich. Ich hielt ihn, als er weinte.
Schweigend öffnete uns Schwertmajorin Rikin die Zellentür, ihrem Blick nach hatte sie alles mitgehört. Sie sagte nichts, und auch mir fiel nicht ein, was ich noch sagen sollte. Im Türrahmen hielt ich inne, drehte mich um und sah, wie Serafine den Nordländer umarmte und wie er nickte und mühsam lächelte, als sie ihm etwas ins Ohr flüsterte.
Sie löste sich und kam zu mir, da schaute er zu Rikin. »Ihr habt mir ein Fass abgenommen, das mir nicht gehört«, sagte er flehend. »Es ist ein Geschenk an diesen Mann, Havald. Majorin, erfüllt Ihr mir den Wunsch und gebt es ihm?«
»Das werde ich tun, Nordmann«, versprach sie, und er nickte dankbar, bevor er zu mir aufsah.
»Es gibt kein besseres Bier auf dieser Welt, mein Freund! Nimm mein Geschenk, Havald, zapf es noch heute an, trink auf mich und sei versichert, es gibt niemanden, der es mehr verdient als du. Der Inhalt dieses Fasses ist mein Erbe an dich, das Einzige von Wert, das ich noch besitze. Und, so Soltar will, diene ich dir in meinem nächsten Leben.«
Was sollte ich sagen? »Ich werde auf dich trinken«, versprach ich ihm. »Der Götter Geleit für dich, mein Freund.« Rikin gab dem Korporal ein Zeichen, und dieser schloss die feste Tür. Langsam gingen wir davon, und ich hörte ihn noch weinen.
»Das«, sagte ich mit rauer Stimme, als ich mit Angus’ Fass unter meinem Arm hoch zur Sonne blinzelte, »hatte ich nicht erwartet.«
Viel Zeit war nicht vergangen, dennoch kam es mir wie eine Ewigkeit vor. Es war früh genug, zur Zitadelle zurückzukehren, vielleicht auch für ein Bad und eine Rasur. »Fast schäme ich mich dafür, dass ich ihm misstraut habe.«
Serafine fiel in meinen Schritt ein und berührte leicht meinen Arm, um meine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
»Du kannst nicht alles tragen, Havald«, sagte sie. »Manches ist, wie es ist. Und du hast ihn selbst gehört. Er hofft, endlich Frieden zu finden.«
»Es kommt mir ungerecht vor«, meinte ich, während wir weitergingen. »Er hat nichts getan, das einer Strafe bedarf. Nur in den Augen der Nordländer ist das so, und in seinen. Ich kann es nicht als Verbrechen werten, zu leben, wenn andere gestorben sind, sonst müsste ich mich selbst verdammen.«
»Tust du das denn nicht?«, fragte sie zögernd.
»Ich tat es. Jetzt nicht mehr. Ich hoffe, dass am Ende meiner Reise der Gott mir den Sinn des Ganzen eröffnet, aber jetzt schon fühle ich, dass es einen geben wird.«
Sie blieb stehen und sah mich überrascht an. »Meinst du das ernst, Havald?«
»Ja«, gab ich ihr Antwort. »Ich sagte dir ja, dass ich meinen Frieden mit Soltar gefunden habe.«
»Fein, denn es ist nicht gut, mit seinem Gott zu hadern.« Sie pochte mit dem Fingerknöchel gegen das kleine Fass. »Wenn du es öffnest, lädst du mich dann ein?«
Ganz voll war es nicht, sonst hätte es nicht so hohl geklungen, dennoch, es war schwer genug für mehr als einen Becher.
»Danach hättest du nicht fragen brauchen.«
Den Rest des Wegs gingen wir schweigend und in Gedanken.
»Was ist mit Angus?«, fragte mich Leandra, als ich die Tür zu unserem Gemach hinter mir schloss. Sie saß auf dem Bett und probierte eine Perücke an. »Es ist nicht so«, sagte sie, als ich nicht sofort Antwort gab, »dass ich alles an diesem Mann verachte, aber genug ist genug, und er hat uns mehr als seinen Teil an Schwierigkeiten bereitet.«
»Er wird dich nicht mehr belästigen«, sagte ich, stellte das Fass auf einen Tisch nahe der Tür und ging an ihr vorbei ins Bad.
»Havald, ich …«, begann sie, doch ich hatte die Tür schon zugezogen.
Es hatte
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