Der Kronrat (German Edition)
tausend Mann«, erklärte ich. »Doch wenn die Allianz zerbricht, gilt auch der Vertrag nicht mehr. Und darauf will ich uns vorbereiten.«
»Bis zum Kronrat selbst wird sich nichts ändern, aber wenn eintritt, was wir befürchten, dann haben wir wenigstens schon vorgeplant. Auch der Kommandant ist der Ansicht, dass dies notwendig ist, und widerwillig schließe ich mich dem an.«
»Daher also dein Interesse an der alten Ausrüstung und den alten Akten«, bemerkte Serafine.
Ich nickte. »Vor allem brauchen wir schwere und leichte Reiterei, Schützen, Späher und Mineure. So wie die Legionen zur Zeit aufgestellt sind, sind sie nicht für den Krieg zu gebrauchen. Ich will auf das Schlimmste vorbereitet sein.«
»Was wäre das?«, fragte Serafine. »Was denkst du, was geschehen kann?«
»Wir treffen Vorbereitungen dafür, dass die anderen Reiche sich gegen Askir stellen und Askir selbst belagert wird.«
»Wir hoffen, dass Aldane nicht fällt und auch Bessarein und die Varlande zu uns stehen, aber wenn die Weiße Flamme Erfolg hat, kann es leicht geschehen, dass dieser Fall eintritt«, ergänzte der Obrist.
»Götter!«, sagte Serafine. »Denkt Ihr wirklich, dass es so schlimm steht?«
»Noch können wir hoffen, dass es nicht so weit kommt«, antwortete ich.
»Ja«, sagte der Stabsobrist. »Das bringt mich zu meinem letzten Punkt. Ihr wolltet sehen, wo der Kronrat tagt. Ich kann es Euch jetzt zeigen.«
Zwei Bullen öffneten uns die schwere Tür, und wir betraten den Ort, an dem die Geschicke der bekannten Welt entschieden wurden. Ich hatte ihn mir anders vorgestellt.
»Ich dachte, es wäre größer«, gab ich zu, als ich mich langsam umsah.
»Das denken viele, vor allem, wenn man die Gildehalle in Askir kennt.«
Die Halle war vielleicht zwanzig Schritt im Durchmesser. Als Eingang diente nur die goldverzierte Tür mit dem Drachen des Alten Reichs, durch die wir gekommen waren. Ihr genau gegenüber stand ein Thron, ein massiver Sessel aus altersdunkler Eiche, mit Leder bezogen und breiten Armlehnen ohne weitere Verzierungen. Dort, wo das Holz zu sehen war, wand sich ein goldener Drache, doch im Vergleich zu anderen Thronen erschien er mir fast bescheiden.
Wie der Stabsobrist gesagt hatte, gab es dreizehn Logen in dem Saal, zu gleichen Teilen links und rechts vom Eingang, die letzte befand sich hinter dem Thron. Auch sie waren nicht so geräumig, wie ich gedacht hatte: In jeder Loge gab es einen schweren Sessel und sechs Stühle. Die Halle war vier Stockwerke hoch, und uns gegenüber zeigten Fenster zum Innenhof der Zitadelle und gaben dem Raum Licht. Schlanke Säulen trennten die Logen voneinander. Die hohe Decke war kunstvoll mit dem Schöpfungsakt der Götter bemalt. Unwillkürlich sah ich zu der schattenhaften Figur, die etwas abseits stand … der Namenlose, der zumindest in diesem Gemälde nicht sonderlich zufrieden wirkte. Der Boden der Halle war von einem gewundenen Muster aus weißem Marmor und schwarzem Obsidian durchzogen, das ich schon von anderen kaiserlichen Bauten kannte.
Über den offenen Logen hingen Flaggen, die der Kaiserstadt, die der sieben Reiche und auch die von Illian. Wenigstens das hatte Leandra erreicht: Sie mochte keine Stimme im Rat besitzen – ob sie eine bekommen würde, sollte sich ja hier erst entscheiden –, aber wenn sie vor den Kronrat trat, dann als Gleichgestellte.
Langsam ging ich tiefer in den Raum hinein, meine Schritte hallten in der Stille.
»Die Halle ist ein Meisterwerk kaiserlicher Baukunst«, sagte Orikes. »Eine Stimme ist überall gleich laut zu hören …«
»Ich war schon einmal hier«, sagte Serafine. »Es muss als Kind gewesen sein, aber ich kann mich nicht mehr so genau daran erinnern.«
Langsam ging ich weiter, bis ich vor dem Thron stand. Das Leder zeigte Spuren von Abnutzung, schien aber nicht brüchig oder alt.
»Ich dachte, der Kronrat tagt ohne den Kaiser?«, fragte ich und wies auf den Thron. »Wieso wirkt er so benutzt?«
»Bevor Askannon abdankte, hielt er hier Gericht und Hof oder besprach sich mit den Gesandten«, erklärte der Stabsobrist. »Warum sollten wir den Thron entfernen? Er ist noch immer unser Kaiser.«
Wohl wahr.
»Es liegt mächtige Magie auf diesem Raum«, fuhr Orikes leise fort. »Niemand weiß so genau, was der Kaiser hier gewoben hat, es dient wahrscheinlich dem Schutz des Rats. Die Eule jedenfalls sagt, dass es sie fast erblinden lässt, wenn sie diese Halle betritt.«
Hinter dem Thron des Kaisers sah ich etwas,
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