Der Kronrat (German Edition)
folgte, und mit jedem Takt krümmten sich Tentakeln aus Rauch und Schwärze um die Gliedmaßen des Kindes herum, das auf dem Stein lag und noch zuckte – obwohl es nicht mehr leben durfte.
»Lanzengeneral«, flüsterte die Eule. »Könnt Ihr …«
Ich nickte grimmig und zog Seelenreißer. Als sein fahler Stahl Rauch, Kind und schwarzen Stein durchschlug, fühlte ich etwas , das mit einem unhörbaren Schrei zurückzuckte und in den Trümmern des Steins verschwand, während uns eisige Kälte umspülte.
»Sergeant?«, wandte sich Desina an den einen Bullen im Eingang des Kellers. »Schickt einen Boten zum Tempel Soltars. Wir brauchen hier einen Priester, der das vertreiben und reinigen kann!«
»Ich glaube, das hier reicht vollends als Beweis«, meinte Desina etwas später zu Hochinquisitor Pertok, der mit einem halben Dutzend Federn zum Haus des Kaufmanns gekommen war. Mit unbewegtem Gesicht musterte der alte Mann Keller, Altar und die Kindsleiche.
»In der Tat«, sagte er und trat von dem Eingang zurück. »Ich erlaube jedes Verhör, bis hin zum alta’re’vita.«
»Was ist das?«, fragte ich Serafine leise, während wir dieses unglückliche Haus verließen.
»Veränderung des Lebens«, erklärte Serafine. »Die Folter.« Sie schaute zu mir hoch. »Normale Verhöre dürfen schmerzhaft sein, aber keinen dauerhaften Schaden anrichten.«
»Wie rücksichtsvoll«, stellte ich fest. Ich hatte es oft genug anders erlebt: dass selbst beim geringsten Verdacht scharfe Messer und glühende Zangen zum Einsatz kamen. Ich hielt wenig von der Folter, unter solchen Qualen hätte ich selbst zugegeben, ein Sendbote des Namenlosen zu sein.
»Nein«, sagte Serafine hart. »Nicht in diesem Fall.«
»Der Verfluchte lebt«, berichtete mir Desina etwas später, als wir wieder in der Zitadelle waren. »Die Scharfrichter bereiten ihn einen Tag lang vor, morgen beginnt dann die eigentliche Befragung. Wenn Ihr nichts dagegen habt, werden wir Pertok die Lösung des Falls zuschreiben. Er ist einverstanden und wird nichts anderes sagen, solange er nicht direkt danach gefragt wird. Als Adept Borons wird er nicht lügen, aber wir wollen von Euch und Eurer Königin ablenken. Was den Verfluchten selbst angeht, werden sich die Hohepriester der Tempel überzeugen, dass er tatsächlich ein Seelenreiter ist, und Zeugnis darüber ablegen. Wir sind noch auf der Suche nach einem anderen Mann, von dem wir eine Beschreibung haben. Er kehrte in den letzten Monaten oft bei Helgs zu später Stunde ein und ging mit ihm in den Keller. Wir haben nur eine grobe Beschreibung von ihm, er soll hager sein und eine lange Nase haben, wie ein Schnabel, so hat man uns gesagt.« Sie seufzte. »Davon gibt es Tausende.«
Irgendwo regte sich eine Erinnerung, doch ich konnte sie nicht greifen. Die Eule sprach schon weiter. »Bis auf den Koch wusste offenbar niemand, was dort unten geschah. Als wir die Bediensteten des Hauses dorthin führten, brachen sie zusammen. Das ist glaubhaft. Der Koch … Nun, der Hochinquisitor ist sehr interessiert an einem Gespräch mit ihm. Man wird sehen, was daraus wird.« Sie nickte mir zu. »Wir werden Euch weiter auf dem Laufenden halten. Der Götter Segen mit Euch, Lanzengeneral.«
»Bitte wartet einen Moment«, sagte ich. »Ihr könnt Nekromanten erkennen und habt auch diesen Verfluchten erkannt?«
»Ja. Der Fluch ist gegen den Willen der Götter gerichtet, also stört er das Gefüge der Magie.«
»Wie das? Der Fluch stammt von dem Namenlosen, man mag ihn hassen, aber er ist einer unserer Götter …«
»Ja, Lanzengeneral«, erklärte sie. »Schaut, jede Seele ist Bestandteil der Magie. Ich kann es nicht anders ausdrücken. Selbst ein Sandkorn trägt etwas von dem in sich, was der Schöpfung zugrunde liegt. Alles fügt sich ein in den Plan der Götter. Solange jemand, der die verfluchte Gabe besitzt, sie nicht verboten nutzt, geschieht nichts, das den Fluss des Weltenstroms stört. Es ist, als ob Ihr einen runden Stein in ein langsam fließendes Gewässer werft: Es strömt um ihn herum, ohne sich viel zu kräuseln. Wenn Ihr nun aber harte Fesseln mit Dornen und mit Blut sowie weitere Steine an diesen ersten Stein bindet und ihn ins Wasser werft, bietet er mehr Widerstand und hinterlässt im Strom eine Spur von Blut. Dieses Kräuseln und die Blutspur sehe ich. Die Gabe zu besitzen, ist nicht der Fluch an sich, sie verführt nur dazu, sie auch anzuwenden. Doch sobald das geschehen ist, hinterlässt man im Weltenstrom eine
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