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Der Kronrat (German Edition)

Der Kronrat (German Edition)

Titel: Der Kronrat (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Schwartz
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nicht weit, denn sie trat an mich heran und umarmte mich heftig.
    »Der Götter Schutz und Gnade mit Euch, Havald«, hauchte sie und schluckte – und floh, bevor ich noch etwas sagen konnte.
     
    »Wurdest du denn ordentlich geschliffen?«, fragte Serafine mich, als wir uns auf den Weg machten. Sieglinde war schon gegangen, sie war bei der Maestra des Turms, die ihr das Tor zur Donnerfeste öffnen wollte. Santer wollte die beiden begleiten, auch wenn er seine Meinung über die Tore noch nicht geändert hatte. Die Eule war wohl rührig, Serafine hatte sie auch vorhin wieder gesprochen, die junge Frau schien ständig etwas zu tun zu haben. Wenn sie sich zwischen ihren sonstigen Verpflichtungen die Zeit nehmen wollte, eine alte vereiste Festung anzusehen, so gönnte ich es ihr.
    Jetzt war unser Gespräch auf Generalsergeant Rellin und die dritte Bulle gekommen, also erzählte ich Serafine, was ich bislang erlebt hatte. Die Dienstbücher waren noch dicker, als ich es befürchtet hatte, alle drei zusammen mochten gut eine Handbreit ergeben, sie zu studieren, stand mir noch bevor.
    »Hast du auch diesen Wassergraben durchschreiten müssen?«, fragte ich Serafine, nachdem ich ihr von dem Unfall dort erzählt hatte. Ihr verschwieg ich nicht, dass ich mir eingebildet hatte, die Seele des Leutnants gesehen zu haben, doch sie nickte nur und schien es zu akzeptieren.
    »Ja«, bestätigte sie jetzt. »Ich bin viermal durch ein solches Wasserbecken gegangen. Es war nicht schlimm für mich, das Wasser ist mein Freund, und hätte ich es gewollt, wäre ich trocken geblieben. Doch es ist wirklich eine harte Prüfung, Havald. Kein Feind kann so unerbittlich sein wie diese Wassergräben, man lernt sich auf sich selbst und den Kameraden an der Seite zu verlassen.«
    »Es ist nicht nur das«, meinte ich und rollte die Schultern, die jetzt schon spannten. »Diese Rüstungen zermürben einen.«
    »Es braucht lange, bis man sich an sie gewöhnt«, stimmte sie mir zu. »Als Rekrut verbringst du ein Jahr lang jeden Tag zwölf Kerzen lang in ihnen, am Anfang willst du es kaum glauben, dass du sie später nicht mehr merken wirst! Und so ist es auch. Man denkt nicht mehr daran. Spätestens, wenn der erste Schwertstreich abprallt, oder ein Bolzen die Brustplatte nicht durchschlägt, bist du dankbar dafür. Zum Schluss machst du alles in der Rüstung … außer Schwimmen!«
    »Ich habe kein Jahr, und ich werde froh sein, wenn ich diese Rüstung nicht mehr tragen muss.«
    »Du hast ja noch eine andere«, lächelte sie. »In der darfst du dann Paraden abhalten.« Mein Generalsergeant, Kasale, hatte mir noch in Gasalabad eine Generalsrüstung zusammengestellt. Wie durch ein Wunder hatte sie die lange Reise nach Askir überstanden und stand nun, noch immer fest verpackt, in meinem Quartier. Wenn es nach mir ging, konnte sie dort auch verbleiben.

13. Der Engel Soltars
     
    Mittlerweile dämmerte es schon, doch für Askir war der Abend recht mild. Der Tempelplatz, an dem die Häuser der Götter standen, befand sich östlich der Zitadelle, in der Hinterstadt, einem Bereich, in dem sich viele Künstler und Gelehrte befanden. Dort gab es, wie ich nun von Serafine erfuhr, während wir durch das Händlerviertel gingen, auch drei Akademien, wovon eine allein darin ihre Aufgabe fand, zukünftigen Gelehrten die Geheimnisse der Mathematik zu vermitteln und Musik zu unterrichten. Mich wunderte das, doch auch hierfür hatte Serafine eine Erklärung.
    »Es gibt Gesetzmäßigkeiten in der Musik, damit sie klingt und harmonisch ist«, erläuterte sie, während wir durch breite Straßen gingen, die nun mehr dem entsprachen, was ich mir unter der alten Kaiserstadt vorgestellt hatte. Hier, im Inneren von insgesamt vier schützenden Wallanlagen, war die Stadt großzügig angelegt, mit breiten Straßen und prunkvollen Gebäuden, die nicht mehr immer nur einem Festungsbau glichen. »Also liegt es nahe, beides gemeinsam zu unterrichten. Mein Vater nahm dort Unterricht und lernte, wie man Straßen und Brücken baut. Er spielte zudem das Spinett. So lernte er auch meine Mutter kennen.«
    Sie schien in Gedanken weit weg, als wir weitergingen. Ich ließ ihr die Zeit und dachte darüber nach, wie es sein mochte, jemanden zu betrauern, der seit siebenhundert Jahren tot war, und es doch als frisch zu empfinden. Sie hatte mir schon gesagt, dass sie es schrecklich fand, vor ihrem Vater gestorben zu sein. Ein schlimmeres Schicksal, als das eigene Kind zu überleben, konnte es für

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