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Der krumme Hund

Der krumme Hund

Titel: Der krumme Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roald Dahl
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Gordon, ich will dir was sagen. Die ganzen Wochen hindurch, jeden Morgen, wo du versucht hast, ihn zu erkennen - weißt du was?»
    «Was denn?»
    «Ich habe Buch geführt. Und das Ergebnis ist, nicht mal in der Hälfte aller Fälle hast du richtig geraten. Geradesogut hättest du Hälmchen ziehen können.»
    Das hieß, wenn ich, der ich sie täglich und nebeneinander sah, die beiden nicht unterscheiden konnte, was in aller Welt hatten wir von Feasey zu befürchten? Feasey war zwar berühmt für seine Fähigkeit, Doppelgänger auseinanderzuhalten, aber wie sollte er einen Unterschied feststellen, wenn es keinen gab?
    Claud stellte die beiden Schüsseln auf den Boden. Jackie erhielt die, in der weniger Fleisch war, da er heute am Rennen teilnahm.
    Als Claud zurücktrat, um die Hunde beim Fressen zu beobachten, machte er wieder eine bekümmerte Miene, und die großen hellen Augen waren mit demselben hingerissenen und liebevollen Blick auf Jackie gerichtet, der bis vor kurzem Clarice allein Vorbehalten gewesen war.
    «Siehst du, Gordon», meinte er, «ich hab's ja immer gesagt. In den letzten hundert Jahren hat es alle möglichen Doppelgänger gegeben, vollkommene und mangelhafte, aber seit es Windhundrennen gibt, haben sich noch nie zwei Tiere so zum Verwechseln ähnlich gesehen.»
    «Hoffentlich hast du recht», bemerkte ich und dachte unwillkürlich an jenen bitterkalten Nachmittag vor vier Monaten, kurz vor Weihnachten war es, als Claud sich den Lieferwagen ausborgte und in der Richtung nach Aylesbury wegfuhr, ohne zu sagen, wohin er ging. Ich hatte angenommen, er habe eine Verabredung mit Clarice, aber gegen Abend war er zurückgekehrt und hatte diesen Hund mitgebracht, von dem er sagte, er habe ihn jemand für fünfunddreißig Shilling abgekauft.
    «Ist er schnell?» hatte ich gefragt. Wir standen draußen bei den Tanksäulen. Claud hielt den Hund an der Leine und betrachtete ihn, und ein paar Schneeflocken schwebten hernieder auf den Rücken des Hundes. Der Motor des Wagens lief noch.
    «Schnell!» hatte Claud gesagt. «Das ist ungefähr der langsamste Hund, den es je gegeben hat.»
    «Wozu hast du ihn dann gekauft?»
    «Weißt du», hatte er mit verschmitzter Miene gesagt, «ich dachte, er sieht Jackie vielleicht ein bißchen ähnlich. Findest du nicht?»
    «Doch, ja, nicht unähnlich, wenn man's bedenkt.»
    Er hatte mir die Leine übergeben, und ich hatte den Hund ins Haus gebracht, um ihn abzutrocknen, während Claud zum Gehege gegangen war, um seinen Liebling zu holen. Und als er zurückkam und wir die beiden zum erstenmal nebeneinander sahen, da weiß ich noch, wie er zurücktrat und sagte: «Mensch», und bockstill stand, als stehe er vor etwas Unwirklichem. Dann wurde er auf einmal sehr betriebsam und still. Er ließ sich auf die Knie nieder und begann die beiden Punkt für Punkt sorgfältig zu vergleichen, und es war, als werde es immer wärmer im Zimmer, je mehr sich seine Aufregung steigerte, während er die beiden Hunde untersuchte; selbst die Klauen und Afterklauen, achtzehn an jedem Hund, wurden auf die Farbe hin genau nebeneinandergehalten.
    Schließlich war er aufgestanden. «Geh mit ihnen bitte ein paarmal auf und ab», sagte er. Dann hatte er volle fünf oder sechs Minuten am Herd gestanden, hatte sie betrachtet, hatte die Stirn gerunzelt und an der Unterlippe gekaut. Und dann, als glaube er immer noch nicht, was er das erste Mal festgestellt hatte, war er wieder hingekniet, um alles nochmals zu überprüfen; doch mittendrin war er plötzlich aufgesprungen und hatte mich unverwandt angeschaut, merkwürdig bleich um Nase und Augen.
    «Weißt du, was das bedeutet?» hatte er mit belegter Stimme gesagt. «Wir haben's geschafft. Wir sind reich.»
    Und dann begannen die geheimen Besprechungen zwischen uns in der Küche, das Festlegen der Einzelheiten, die Auswahl des günstigsten Rennplatzes. Schließlich machten wir jeden zweiten Samstag, insgesamt achtmal, die Tankstelle zu, wobei ich die Einnahmen eines ganzen Nachmittags drangab, und fuhren mit dem Doppelgänger bis nach Oxford hinaus zu einem mickrigen kleinen Rennplatz im Gelände bei Headingley, wo massenhaft Geld umgesetzt wurde, obwohl das Ganze aus nichts als einer Reihe alter Pfosten und einer Leine bestand, um das Geläuf abzustecken, einem auf dem Kopf gestellten Fahrrad, mit dem der ‹Hase› in Bewegung gesetzt wurde, und am andern Ende, in der Ferne, sechs Startklappen. Achtmal in sechzehn Wochen hatten wir den Doppelgänger dorthin

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