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Der krumme Hund

Der krumme Hund

Titel: Der krumme Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roald Dahl
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hellgrüne Laub der großen Buche auf der andern Seite der Straße. Jackie sah wunderbar aus, mit den mächtigen, harten Muskeln, groß wie Melonen, die sich an seinem Hinterteil abzeichneten, und dem sammetschwarz glänzenden Fell. Während Claud das Köfferchen in den Wagen stellte, vollführte der Hund ein Tänzchen auf luftigen Pfoten, um zu zeigen, wie prächtig er in Form war; dann schaute er zu mir auf und grinste, als wisse er, daß es zu einem Rennen ging, wo es zweitausend Pfund und massenhaft Ruhm einzuheimsen galt. Jackie hatte das menschenähnlichste Grinsen, das mir je vorgekommen war. Er zog nicht nur die Oberlippe an, sondern verzog tatsächlich auch die Maulwinkel, so daß man sein ganzes Gebiß sah, außer vielleicht die hintersten Backenzähne. Ich gewärtigte jedesmal, ihn auch noch laut herauslachen zu hören.
    Wir stiegen in den Lieferwagen und fuhren weg. Ich saß am Steuer, Claud neben mir, und Jackie stand hinten auf dem Stroh und schaute über unsere Schultern hinweg durch die Windschutzscheibe, obwohl Claud ihm immer wieder zuredete, er solle sich hinlegen, damit ihm nichts geschah, wenn es scharf um die Kurve ging. Doch der Hund war viel zu erregt; er grinste bloß und wedelte mit dem gewaltigen Schwanz.
    «Hast du das Geld, Gordon?» Claud steckte sich eine Zigarette nach der andern an und konnte nicht stillsitzen.
    «Gewiß.»
    «Meines auch?»
    «Insgesamt hundertfünf Pfund. Fünf für den Aufwickler, wie du gesagt hast, damit er den Hasen nicht anhält und das Rennen ungültig macht.»
    «Gut», sagte Claud und rieb sich die Hände, als friere er. «Gut, gut, gut.»
    Wir kamen durch die schmale Hauptstraße von Great Missenden, wo wir den alten Rummins in eine Wirtschaft hineingehen sahen, zu seinem Morgenbier; dann, hinter dem Dorf, bogen wir nach links ab und gelangten über den Hügelzug der Chilterns nach Princes Risborough, von wo es nur noch etwas mehr als zwanzig Meilen waren nach Oxford.
    Und nun kam eine stille und gespannte Stimmung auf. Ohne ein Wort zu sprechen, saßen wir da; jeder hing seinen eigenen Befürchtungen und Erwartungen nach und behielt seine Besorgnis für sich. Claud steckte sich seine Zigaretten an und warf sie halbgeraucht wieder zum Fenster hinaus. Meistens redete er sich auf diesen Fahrten die Seele aus dem Leib, den ganzen Hinweg und den ganzen Rückweg, was er mit Hunden schon alles erlebt hatte, was er geleistet hatte und wo er schon überall gewesen war und was er dabei verdient hatte und was andere mit den Hunden anstellten, die Gaunereien, Grausamkeiten und die unglaublichen Kniffe und Finten der Hundebesitzer auf den minderen Rennplätzen. Doch heute getraute er sich wohl nicht, viel zu reden. Ich übrigens auch nicht. Ich saß da, achtete auf die Straße und suchte die Gedanken an das, was uns bevorstand, zu verscheuchen, indem ich mir durch den Kopf gehen ließ, was mir Claud schon alles von dem Rummel der Windhundrennen erzählt hatte.
    Es gab bestimmt niemand, der mehr davon verstand als Claud, und seit wir den Doppelgänger hatten und übereingekommen waren, dieses Ding zu drehen, hatte er es sich angelegen sein lassen, mich in dieser Sache auszubilden. Ich verstand nachgerade, wenigstens theoretisch, fast ebensoviel davon wie er.
    Das hatte schon bei der ersten Besprechung angefangen, die wir in der Küche abhielten, einen Tag, nachdem der Doppelgänger eingetroffen war. Wir saßen da und schauten durchs Fenster nach Kunden aus, und Claud setzte mir auseinander, was für Vorkehrungen wir treffen müßten, und ich suchte ihm zu folgen, so gut ich konnte, bis ich ihn schließlich doch etwas fragen mußte.
    «Was ich nicht einsehe, ist, warum du überhaupt den Doppelgänger verwendest», hatte ich gesagt. «Wäre es nicht ratsamer, wenn wir immer nur Jackie einsetzten und ihn einfach bei den ersten fünf oder sechs Rennen bremsen? Wenn es dann soweit ist, lassen wir ihm freien Lauf. Das käme doch auf dasselbe heraus, nicht, wenn wir es richtig anpacken? Und wir laufen nicht Gefahr, ertappt zu werden.»
    Da war ich aber schön ins Fettnäpfchen getreten. Claud schaute mich betroffen an und sagte: «Das gibt's nicht! Laß es dir gesagt sein, ‹bremsen› ist etwas, das bei mir nicht vorkommt. Was ist nur in dich gefahren, Gordon?» Es war ihm offenbar richtig peinlich, was ich gesagt hatte.
    «Ich finde da nichts bei.»
    «Also hör mal, Gordon. Einen tüchtigen Hund bremsen, das bricht ihm das Herz. Ein tüchtiger Hund weiß, daß er schnell

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