Der Kugelfaenger
dieser plötzliche Sinneswandel?“
„Er hat eingesehen, dass Sie Hilfe brauchen.“
„Das ist jetzt aber doch ein wenig plötzlich.“
Frank Greyson zuckt mit den Schultern. „So ist er nun mal. Etwas aufbrausend und voreilig. Aber im Grunde tut er dann doch immer wieder das richtige.“ Er sieht nicht so aus, als würde er seinen eigenen Worten Glauben schenken.
***
Frank Greyson ist etwas durcheinander, als er sich zwei Straßen weiter in seinen verbeulten Volvo setzt. Tom Hunt bereitet ihm leichte Kopfzerbrechen. Er sieht eigentlich nicht besonders gefährlich aus, sondern eher sehr sympathisch. Weder aus seiner Statur, noch aus seinem Verhalten könnte man schließen, dass er überdurchschnittlich gewalttätig wäre. Dass dieser einen Menschen krankenhausreif schlagen kann, kann er sich trotzdem vorstellen. Er spürt dessen Knie noch immer im Rücken.
Sollte er O’Connell von seinen Erlebnissen im Garten der Williams berichten? Aber was genau soll er ihm denn erzählen? Dass dieser Hunt ihn für einen Einbrecher gehalten und ihm das Knie in den Rücken gerammt hat? Erstens ist das nicht illegal, weil er ja selbst schuld ist, wenn er sich mitten in der Nacht in fremden Gärten herumschleicht und das auch noch unter den wachsamen Augen eines Bodyguards. Und zweitens würde O’Connell nur über seine Unfähigkeit lachen, ihn wieder zu Büroarbeit abkommandieren und seine Aussicht auf eine wohlverdiente Beförderung zunichte machen. Frank Greyson entschließt sich also, den heutigen Abend seinem Chef gegenüber mit keinem Wort zu erwähnen.
***
Ungefähr zwei Stunden, nachdem sich Tom die Aufzeichnungen der Überwachungskameras angesehen hat und danach ins Bett gegangen ist, klingelt sein Handy.
„Was?“, krächzt er voller Widerwillen in das Gerät. Er macht sich nicht mal die Mühe, sich aufzusetzen oder das Licht anzuschalten.
„Entschuldigen Sie“, kommt Franks schnarrende Stimme aus dem Telefonhörer. „Aber ich habe nachgeforscht.“ In seiner Stimme schwingt Stolz mit.
„Wovon reden Sie?“ Tom zieht seine Decke wieder bis zum Kinn hoch und fährt sich mit einer Hand über die Augen. „Und woher haben Sie meine Nummer?“
„Dafür gibt es Mittel und Wege. Ich bin Polizist.“ Er lacht. Dann wird er schlagartig wieder ernst. „Ich bin mir sicher, dass Sie gerne wüssten, wer bei Ihnen vergangene Nacht eingestiegen ist.“ Er hat sich dazu entschieden, dass ein bisschen einschmeicheln nicht schaden kann.
Tom ist auf der Hut. „Und was wollen Sie für diese Information?“
„Nichts“, behauptet Frank Greyson. „Ich habe mich einfach für den Einbruch interessiert. Schließlich gab es einen Toten. Ich habe mich also an den Computer gesetzt und ein wenig Infos gesammelt.“
„Das ging aber schnell.“
„Bei mir geht alles schnell“, erwidert Frank großspurig. Und dann ist er nicht mehr zu bremsen. „Also: Der eine Einbrecher, der sich bei euch das Genick gebrochen hat, heißt Johnny Brown. Er ist – oder besser – er
war
fünfundzwanzig Jahre alt und hat mit seiner Mutter in Southwark gelebt. Er hat sich seinen Lebensunterhalt als Feld-Wald-und-Wiesen-Verbrecher finanziert. Er hat seit seinem sechzehnten Lebensjahr wiederholt wegen verschiedenster Vergehen im Knast gesessen. Erst vor vier Monaten wurde er aus der letzten Haft entlassen. Sein bisheriger Partner war immer ein gewisser Miller – der ist ebenfalls seit vier Monaten wieder auf freiem Fuß. Er ist ein Jahr jünger als Brown und verheiratet. Seine Frau hat allerdings vor fünf Wochen die Scheidung eingereicht, nachdem er sie zum wiederholten Mal aufs übelste verprügelt hat. Vor drei Wochen hätte er dann wegen Körperverletzung vor Gericht erscheinen müssen, hat das aber nicht getan. Seitdem ist er von der Bildfläche verschwunden.“ Frank hält inne, um Luft zu holen.
„Wow.“ Tom ist angenehm überrascht. „Danke.“
„Ich werde für Sie an der Sache dranbleiben“, meint Frank.
„Oh. Ja, das denke ich, ist keine schlechte Idee“, sagt Tom. „Und nochmals danke.“
„Keine Ursache. Und wenn Sie wieder einmal jemanden brauchen, der für Sie im Dreck wühlen soll, wenden Sie sich einfach an mich. Darin bin ich unschlagbar.“
Wenn Tom ihn am Anfang auch für einen ziemlichen Idioten gehalten hat, von diesem Moment an ändert sich seine Meinung gegenüber Frank Greyson grundlegend. Trotzdem kann er ein gewisses Maß an Misstrauen nicht ablegen.
***
Der Donner grollt laut, als das Handy klingelt.
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