Der Kugelfaenger
Schon zum zweiten Mal in dieser Nacht. Tom zuckt zusammen, doch er ist viel zu fertig, um seine Augen zu öffnen. Er kann kaum seine Hand nach dem lärmenden Ding ausstrecken. Seine Finger fühlen sich an, als könnten sie jede Sekunde abfallen. Er erwischt es ungeschickt und es fällt polternd zu Boden. Er lässt einen Arm aus dem Bett hängen und tastet nach dem kleinen Telefon, bis er es wieder zu fassen bekommt. Er sieht nicht auf das leuchtende Display, dafür ist er zu müde. Seine Augen fallen ihm schon fast wieder von selbst zu.
„Hm?“, brummt er mit schlaftrunkener Unwilligkeit, unfähig, mehr von sich zu geben.
Es kommt keine Antwort.
„Hallo?“, brummt er verärgert. Er hat absolut keine Lust auf irgendwelche Telefonstreiche.
„Bitte, kommen Sie“, flüstert es plötzlich am anderen Ende der Leitung.
Tom runzelt die Stirn. „Was?“ Er rafft sich in der Dunkelheit im Bett auf. Es antwortet niemand. Draußen zuckt ein Blitz und augenblicklich folgt ein kräftiger Donnerschlag.
„Evelyn, sind Sie das?“ Ein beklemmendes Gefühl breitet sich in seinem Magen aus. Angst.
„Sie müssen sofort kommen.“ Ihre Stimme klingt angsterfüllt. Dann hat sie aufgelegt.
Tom knallt sein Handy zurück auf das niedrige und wackelnde Nachttischchen. Der Regen fließt in Strömen vor seinem Fenster vorbei. Es hat irgendwann zwischen Franks und Evelyns Anruf zu regnen begonnen.
Er springt beunruhigt aus dem Bett und zieht sich in Windeseile seine Klamotten an, die am Boden vor seinem Bett liegen. Jede Bewegung tut ihm weh, aber er beißt die Zähne zusammen. Dann greift er nach seiner SIG Sauer, überprüft das Magazin und öffnet die Tür. Er wartet einen kurzen Moment, bis er glaubt dass der Regen nachgelassen hat und stürmt dann die Treppe hinunter, nur um zu merken, dass es immer noch genauso schüttet wie vorher. Die Blitze zucken auch nach wie vor über den rabenschwarzen Nachthimmel und suchen sich ein geeignetes Ziel.
Da kein Weg oder so etwas Ähnliches von der Garage zum Haus führt, muss er quer über den Rasen sprinten. Der Boden ist total durchgeweicht und matschig. Kurz vor der Verandatreppe schlittert er und rutscht seitlich weg, kann sich aber noch mit den Händen abfangen.
„Shit!“, flucht er. Im selben Moment erleuchtet ein greller Blitz die Nacht und sofort folgt ein ohrenbetäubender Donnerschlag.
Er rafft seine müden Muskeln zusammen und wenige Sekunden später steht er vor der Haustür. Erst jetzt fällt ihm auf, dass der Alarm an der Verandatreppe nicht losgegangen ist, als er heute Abend zu Evelyn auf die Veranda gestürmt ist. Und gerade eben hat sich auch nichts getan.
Verdammtes Dreckszeug.
Er holt den Ersatzschlüssel zum Haus aus seiner Hosentasche und öffnet die Haustür. Er wirft einen schnellen Blick in den Flur. Alles schlummert in tiefer Dunkelheit, mal abgesehen von den Blitzen, die von draußen hereinzucken.
Er holt seine Waffe hervor und schließt die Tür hinter sich. Dann bleibt er einen Moment stehen und lauscht in die Stille hinein. Er kann nichts hören. Vorsichtig tastet er sich im Dämmerlicht vor. Er sieht sich im Wohnzimmer um, das auf der linken Seite des Hauses liegt und kann aber nichts Ungewöhnliches feststellen. Er macht mit der Küche weiter, aber auch dort scheint alles in Ordnung zu sein.
Was ist hier los? Wovor hat Evelyn Angst?
Er durchsucht die restliche untere Etage im Schnelldurchgang und trifft auch dort auf niemanden. Keine Einbrecher, keine Evelyn, keine Catherine. Nur Finsternis. Er setzt seine Durchsuchung fort und bewegt sich mit seiner Waffe in den Händen die Treppe hoch. Er ist auf der Hut. Er bewegt sich von Zimmer zu Zimmer. Doch niemand springt aus den Schatten und geht ihm an die Gurgel, keiner kommt hinter den Türen hervor und schlägt ihn nieder, niemand stellt ihm ein Bein. Soweit er das beurteilen kann, ist niemand Fremdes im Haus.
Als er vor Catherines Schlafzimmertür steht, kann er deutlich wispernde Stimmen wahrnehmen und Licht sickert aus dem Spalt unter der Tür hervor.
Als er die Tür aufstößt, trifft er auf eine völlig in Tränen aufgelöste Catherine, neben der Evelyn auf dem Bett hockt und ebenso mit den Nerven am Ende zu sein scheint. Zwischen ihnen liegt ein Handy auf dem Bett.
„Oh, Mr. Hunt!“ Als Catherine Tom in der Tür stehen sieht, bricht sie vollkommen in Tränen aus.
Als Tom auf die beiden Damen blickt, die heulend und verängstigt auf dem Bett sitzen und ihn anstarren, kann er nicht
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